Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
Fortschritte beim Gabenunterricht.
Flink traf sich weiter täglich mit mir. Er las mir laut vor, erwarb sich Wissen über die Äußeren Inseln und frischte meines dabei zugleich auf. Immer wieder stellte ich ihm Fragen, um sicher zugehen, dass er dieses Wissen wirklich verarbeitete. Tatsächlich fiel es ihm leicht, sich Dinge zu merken, und er stellte bald eigene Fragen. Flink war selten freundlich, aber mir als Lehrer gegenüber gehorsam; mehr konnte ich im Augenblick ohnehin nicht verlangen.
Dick schien Flinks Gegenwart als beruhigend zu empfinden, denn er entspannte sich in der Anwesenheit des Jungen. Er sprach jedoch nur wenig, atmete heiser und bekam dann und wann einen Hustenanfall. Der Akt, ihm löffelweise Brühe einzuflößen, erschöpfte uns beide. Sein Wanst war sichtlich kleiner geworden, während dunkle Ränder unter seinen kleinen Augen erschienen waren. Die Krankheit setzte ihm schwer zu, und ihn so in seinem Elend zu sehen, zerriss mir das Herz. In seiner Vorstellung lag er im Sterben, und noch nicht einmal in seinen Träumen vermochte er sich von diesem Gedanken zu lösen.
Und Pflichtgetreu konnte mir auch nicht dabei helfen. Der Prinz tat sein Bestes, und er mochte Dick wirklich. Doch Pflichtgetreu war erst fünfzehn und in vielerlei Hinsicht noch ein Kind - ein Kind, das von seinen Edelleuten ständig hofiert wurde, die sich immer neue Ablenkungen einfallen ließen, um in seiner Gesellschaft zu sein. Weit weg von Kettrickens strengen Traditionen überhäuften sie ihn mit Unterhaltung und Schmeichelei. Kleine Boote fuhren zwischen den Schiffen unserer Hochzeitsflotte hin und her und brachten nicht nur Edelleute zu uns, sondern transportierten auch Chade und Pflichtgetreu zu den anderen Schiffen, um dort Wein, Dichtkunst und Gesang zu genießen. Diese Ausflüge waren dazu gedacht, den Prinzen von der Langeweile der ereignislosen Reise abzulenken, und das gelang ihnen auch nur allzu gut, doch es geziemte dem Prinzen, seine Gunst gleichmäßig zu verteilen. Der Erfolg seiner Herrschaft würde dereinst von den Allianzen abhängen, die er jetzt schmiedete. Er hätte sich kaum weigern können zu gehen; gleichzeitig beunruhigte es mich jedoch, als ich sah, wie leicht er sich von seinem kranken Diener ablenken ließ.
Web war mein einziger Trost. Er kam jeden Tag und bot mir an, sich um Dick zu kümmern, während ich mir ein paar Stunden für mich selbst nahm. Natürlich konnte ich meine Wache nicht gänzlich vernachlässigen. Ich hielt meine Gabe auf Dick gerichtet, damit er uns nicht alle plötzlich in irgendeinen wilden, verängstigenden Traum stürzen konnte. Aber zumindest entkam ich auf dieser Art der Enge meines Quartiers für eine Weile, schlenderte übers Deck und genoss den Wind auf meinem Gesicht. Dieses Arrangement verhinderte jedoch, dass ich Zeit allein mit Web verbrachte. Nicht nur um Chades Willen sehnte ich mich danach, mit ihm zu sprechen. Mehr und mehr beeindruckten mich seine Ruhe, seine Kompetenz und seine Freundlichkeit. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als wolle er sich bei mir einschmeicheln, doch nicht wie die Edelleute sich beim Prinzen einschmeichelten, sondern vielmehr wie Burrich sich einem Pferd genähert hatte, das er hatte ausbilden wollen - und es funktionierte, und das trotz der Tatsache, dass ich mir dessen bewusst war. Mit jedem Tag ließ meine Vorsicht ihm gegenüber nach. Dass er meine wirkliche Identität kannte, kam mir nicht länger als Bedrohung, sondern vielmehr als Trost vor. Ein ganzes Heer von Fragen ging mir im Kopf herum, die ich ihm stellen wollte: Wie viele vom Alten Blut wussten, dass FitzChivalric noch lebte? Wie viele wussten, dass er sich hinter der Fassade von Tom Dachsenbless verbarg? Doch ich wagte nicht, auch nur eine dieser Fragen in Dicks Hörweite zu stellen, selbst wenn er von Fieberträumen geplagt wurde. Niemand vermochte zu sagen, ob und wann er diese Worte wiederholen würde, sei es laut oder in seinen Träumen.
Eines Abends, sehr spät, nachdem der Prinz und Chade von irgendeinem Amüsement zurückkehrten, wartete ich, bis Pflichtgetreu seine Diener entlassen hatte. Er und Chade saßen bei einem Glas Wein zusammen und unterhielten sich leise auf der gepolsterten Bank unter dem Fenster. Ich stand auf und ging zum Tisch hinüber. So müde die beiden auch von den langen Spielen mit Lord Vorzüglich waren, sie waren noch immer neugierig genug, um sich sofort zu mir zu gesellen. Ohne lange Vorrede wandte ich mich an Pflichtgetreu: »Hat Web
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