Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
dir je anvertraut, dass er weiß, wer ich wirklich bin ?
FitzChivalric?«
Der erstaunte Ausdruck auf seinem Gesicht reichte als Antwort.
»Musst du das Thema ausgerechnet jetzt anschneiden?«, knurrte Chade mich an.
»Gibt es denn einen Grund, diese Angelegenheit nicht in meiner Gegenwart zu diskutieren?«, entgegnete der Prinz für mich und in schärferem Ton, als ich erwartet hatte.
»Nur dass diese kleine Stück Information nichts mit unserer Mission zu tun hat. An Eurer Stelle würde ich mich auf andere Dinge konzentrieren, Prinz Pflichtgetreu, Dinge, die uns größere Sorgen bereiten«, antwortete Chade zurückhaltend und formell.
»Wie wäre es, wenn Ihr mich selbst entscheiden lassen würdet, welche Dinge für mich wichtig sind und welche nicht?« Der schroffe Tonfall des Prinzen verriet mir, dass die beiden schon früher über dieses Thema diskutiert hatten.
»Dann deutet also nichts darauf hin, dass sonst noch jemand in deiner >Zwiehaften Kordiale< weiß, wer ich bin ?«
Der Prinz zögerte, bevor er bedächtig antwortete: »Niemand. Dann und wann ist einmal über den Zwiehaften Bastard gesprochen worden, und wenn ich es mir so überlege, glaube ich, es war jedes Mal Web, der damit angefangen hat. Aber er spricht das auf die gleiche Art an, in der er uns Zwiehafte Geschichte und Traditionen lehrt. Er spricht über ein Thema und stellt uns dann Fragen, die unser Verständnis vertiefen sollen. Von FitzChivalric hat er stets nur als einer historischen Figur gesprochen.«
Ich , eine > historische Figur<... Das bereitete mir ein wenig Unbehagen, doch bevor ich etwas darauf erwidern konnte, ergriff Chade wieder das Wort.
»Dann unterrichtet Web die >Zwiehafte Kordiale< also formell? Geschichte, Traditionen ... Was sonst noch?«
»Höflichkeit. Er erzählt uns alte Geschichten von Zwiehaftem Volk und Tieren. Und er bringt uns bei, wie wir uns vorbereiten müssen, bevor wir auf die Suche nach einem Tierbruder gehen. Ich glaube, was er uns lehrt, sind Dinge, die die anderen schon von Kindheit an kennen; er lehrt sie uns nur um meiner und Flinks Willen. Doch wenn er Geschichten erzählt, hören die anderen aufmerksam zu, besonders Kräusel, der Barde. Ich glaube, vieles von dem, was Web weiß, stand kurz davor, in Vergessenheit zu geraten, und er erzählt uns das alles, damit wir es zu gegebener Zeit weitergeben können.«
Ich nickte. »Als die Zwiehaften Gemeinden zerschlagen worden sind, mussten die Zwiehaften ihr Wissen verbergen und konnten ihre Bräuche nur noch im Geheimen ausüben. Es war unvermeidlich, dass immer weniger an ihre Kinder weitergereicht worden ist.«
»Warum, glaubst du, spricht Web über FitzChivalric?«, fragte Chade vorsichtig.
Ich beobachtete, wie Pflichtgetreu darüber nachdachte, auf die gleiche Art, wie Chade mich gelehrt hatte, über die Handlungen eines jeden Menschen nachzudenken. Was hätte er dadurch zu gewinnen? Wen bedrohte es? »Vielleicht vermutet er, dass ich die Wahrheit kenne«, antwortete er schließlich. »Aber das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Ich glaube, er will, dass die Zwiehafte Kordiale über folgende Fragen nachdenkt: >Was ist der Unterschied zwischen einem zwiehaften und einem nicht-zwiehaften Herrscher? Was hätte es für die Sechs Provinzen bedeutet, wenn Fitz an die Macht gekommen und nicht seiner Magie wegen hingerichtet worden wäre? Und was würde es für die Sechs Provinzen bedeuten, sollte je die Zeit kommen, da es sicher für mich ist, meine Abstammung vom Alten Blut einzugestehen? Wie kann mein Volk, mein ganzes Volk, davon profitieren, einen zwiehaften Herrscher zu haben? Und wie kann meine Zwiehafte Kordiale mich in meiner Herrschaft unterstützen?<«
»In deiner Herrschaft?«, fragte Chade in scharfem Ton. »Sind ihre Ambitionen uns so weit voraus? Sie haben davon gesprochen, dir bei deiner Queste zu helfen, um den Sechs Provinzen zu beweisen, dass man die Alte Macht auch zum Guten nutzen kann. Beabsichtigen sie etwa, dir auch hinterher als Berater zu dienen?«
Pflichtgetreu runzelte die Stirn. »Nun, natürlich.«
Als der alte Mann daraufhin verärgert das Gesicht verzog, griff ich rasch ein. »Es erscheint mir nur natürlich, dass sie das tun, besonders angesichts der Hilfe, die sie dem Prinzen auf seiner Queste gewähren. Sie zu benutzen und anschließend einfach wegzuwerfen, ist nicht die Art von politischer Weisheit, die du mich über die Jahre gelehrt hast, Chade.«
Chade hatte noch immer die Stirn in Falten gelegt.
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