Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 03 - Der weisse Prophet
ich mich bei offiziellen Anlässen oft in den Schatten herumdrücken müssen; daher fühlte ich mich nicht herabgesetzt. Wäre ich allein gewesen, hätte meine Aufgabe darin bestanden, mich unauffällig unters Volk zu mischen und alles zu beobachten. Doch hier, in einem fremden Land, mit einem Schwachkopf an der Seite und in Gardeuniform konnte ich das nicht. Also stand ich verlegen am Rand der Menge, stützte Dick und lauschte dem sorgfältig ausgearbeiteten, formellen Begrüßungsritual. Der Prinz machte seine Sache gut, doch sein konzentrierter Gesichtsausdruck warnte mich, ihn nicht mit einer Gabenfrage aus dem Konzept zu bringen. Jene, die zu seiner Begrüßung erschienen waren, repräsentierten unterschiedliche Clans - zumindest deutete ich so die verschiedenen Wappentiere auf ihrem Schmuck und ihre Tätowierungen. Bei den meisten handelte es sich um Männer, die prachtvolle Pelze und prächtigen Schmuck trugen, beides Symbole für Rang und Wohlstand bei den Outislandern; aber auch vier Frauen waren anwesend. Sie trugen gewobene und mit Pelzen besetzte Wollkleider, und ich fragte mich, ob sie auf diese Art den Reichtum ihres Landbesitzes zum Ausdruck brachten. Der Vater der Narcheska, Arkon Blutklinge, war ebenfalls anwesend, zusammen mit sechs anderen, die wie er das Zeichen des Ebers an ihren goldenen Halsreifen trugen. Peottre Schwarzwasser begleitete ihn, einen ebenholzfarbenen Narwal am Hals. Dass ich außer diesem keine weiteren Narwalwappen sah, kam mir seltsam vor. Der Narwal kennzeichnete den Mutterclan der Narcheska, eine bedeutende Blutlinie unter den Outislandern, und wir waren hier, um die Bedingungen einer Eheschließung zwischen ihr und unserem Prinzen abzuklären. Das musste für ihren Clan doch von großer Wichtigkeit sein. Warum war Peottre dann ihr einziger Repräsentant? Lehnte der Rest des Clans diese Allianz womöglich ab?
Nachdem die Begrüßungsformalitäten endlich abgeschlossen waren, wurden der Prinz und sein Gefolge fortgeführt. Die Garde formierte sich ohne mich und marschierte ihm hinterher. Einen Augenblick lang fürchtete ich, dass man Dick und mich auf dem Dock stehen lassen würde. Als ich mir gerade überlegte, jemanden zu bestechen, uns zum Schiff zurückzubringen, näherte sich uns ein alter Mann. Er trug einen Wolfspelztragen und das Siegel des Ebers von Blutklinges Clan, doch schien er nicht so wohlhabend zu sein wie die anderen Männer. Offensichtlich glaubte er, meine Sprache sprechen zu können; allerdings konnte ich nur eins von vier Worten in seiner barbarischen Version unserer Zunge verstehen. Da ich ihn nicht beleidigen wollte, indem ich ihn bat, die Sprache der Outislander zu sprechen, wartete ich und bekam schließlich mit, dass der Clan des Ebers ihm aufgetragen hatte, Dick und mich zu unserer Unterkunft zu geleiten.
Der alte Mann machte keinerlei Anstalten, mir mit Dick zu helfen. Tatsächlich achtete er sogar sorgfältig darauf, ihm nicht näher zu kommen als unbedingt nötig, als wäre die Geistesschwäche des kleinen Mannes ansteckend oder als hätte er Flöhe. Ich empfand das als beleidigend, mahnte mich aber zur Geduld. Der alte Mann ging strammen Schrittes voran und wurde auch nicht langsamer, obwohl er manchmal stehen bleiben und auf uns warten musste. Offensichtlich wollte er die Blicke meiden, die wir auf uns zogen. Und tatsächlich boten wir auch einen seltsamen Anblick: ich in Gardeuniform und der arme, elende Dick, der in seinen Mantel gewickelt an meinem Arm dahinstolperte.
Unser Führer führte uns durch den neu gebauten Teil der Stadt und dann eine steile, schmale Straße hinauf. Dicks Atmung war nur noch ein leises, pfeifendes Keuchen. »Wie weit noch?«, verlangte ich zu wissen; ich musste schreien, so weit war der alte Mann uns vorausgeeilt.
Der Mann drehte sich abrupt um, verzog das Gesicht und winkte mir brüsk, leise zu sein. Dann deutete er die Straße hinauf zu einem alten Gebäude, ganz aus Stein und viel größer als jene im unteren Teil der Stadt. Es war rechteckig, drei Stockwerke hoch und besaß ein spitzes Schieferdach. Fenster durchbrachen die Wände in regelmäßigen Abständen. Es war ein schlichtes, funktionelles Gebäude, stabil gebaut, und es gehörte vermutlich zu den ältesten Häusern der Stadt. Ich nickte stumm. In den steinernen Türsturz hatte man das Bild eines Ebers gehauen, der trotzig die Hauer gehoben hatte. Wir würden also im befestigten Sitz des Eberclans wohnen.
Als wir schließlich den Hof vor dem Gebäude
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