Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
über die Art, wie Chade die letzte Verhandlungsrunde geführt hatte, und er bat die Königin, ihren obersten Berater ein wenig zu zügeln. In diesem Punkt stimmten Kettricken und Pflichtgetreu nicht vollkommen überein, und ich war wieder gezwungen, nur als Mittelsmann zu fungieren, ohne meine eigene Meinung kundzutun.
Während sie meine Magie zum Wohle des Weitseherthrons nutzten, wurde ich mir nach und nach des Gabenstroms bewusst. Er zog mich in eine neue Richtung. Das war nicht jene stürz-dich-rein-und-verlier-dich-Versuchung, die ich nur allzu gut kannte, sondern wunderbare Musik, die einen immer mehr von dem ablenkt, was man eigentlich tun sollte, bis man vollständig darin aufgegangen ist. Zuerst schien sie aus weiter Ferne zu kommen, wie das Donnern eines Wasserfalls, wenn man selbst noch im ruhigeren Teil des Flusses ist. Sie zog mich an, aber nicht stark. Ich glaubte, sie zu ignorieren. Die Worte des Prinzen an meine Königin und ihre Antworten flössen durch mich hindurch, und ich schenkte dem, was ich Kettricken sagte oder Pflichtgetreu übermittelte, kaum Aufmerksamkeit.
Allmählich schien es, als würde die Gabe selbst durch mich hindurchfließen, fast als befände ich mich auf einem Fluss, und dieses Gefühl endete erst, als sich die Königin vorbeugte und mich kräftig schüttelte.
»Fitz!«, rief sie, und
Fitz!
übermittelte ich pflichtbewusst an Pflichtgetreu.
Dann: »Weck ihn, egal wie. Schütte ihm Wasser ins Gesicht, zwick ihn. Ich fürchte, wenn ich mich jetzt zurückziehe, geht er vollständig unter.«
Und noch während ich Pflichtgetreus Worte an die Königin übermittelte, griff sie nach ihrem Becher mit ausgekühltem Tee und schüttete ihn mir ins Gesicht. Ich prustete, hustete und war mir mit einem Schlag meiner Umgebung wieder bewusst. »Tut mir Leid«, sagte ich und wischte mir mit dem Ärmel übers Gesicht. »Das ist mir noch nie passiert - zumindest nicht auf diese Art.«
Die Königin bot mir ein Taschentuch an. »Wir hatten auch mit Nessel ein paar kleinere Schwierigkeiten dieser Art. Das war auch einer der Grunde dafür, warum Chade dich so schnell wie möglich hier haben wollte.«
»Er hat so etwa erwähnt. Ich wünschte, er wäre deutlicher geworden, dann hätte ich mich bemüht, schneller einen Weg hierher zu finden.«
»Sie muss in der Gabe unterwiesen werden, Fitz, und damit sollte man so rasch wie möglich beginnen. Tatsächlich hätte man schon vor langer Zeit damit beginnen müssen.«
»Jetzt weiß ich das auch«, gab ich demütig zu. »Eine Menge Dinge hätten schon vor langer Zeit begonnen werden sollen. Nun bin ich jedenfalls daheim, und ich beabsichtige, so rasch wie möglich damit anzufangen.«
»Wie wäre es mit sofort?«, fragte mich Kettricken in gelassenem Tonfall. »Ich könnte meine Zofe rufen und nach Nessel schicken lassen. Du könntest dich sofort mit ihr treffen.«
Eine Welle der Angst spülte über mich hinweg. »Noch nicht!« Dann fügte ich hinzu: »Nicht so, meine Königin, bitte. Lasst mich mich zuerst waschen und rasieren. Und ausruhen würde ich mich auch noch gerne.« Ich atmete tief durch. »Und essen«, fügte ich hinzu und versuchte, das nicht wie einen Protest klingen zu lassen.
»Oh, Fitz, es tut mir Leid! Ich habe dich mit meinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen förmlich überfahren. Das war selbstsüchtig von mir. Ich entschuldige mich.«
»Das war notwendig«, versicherte ich ihr. »Soll ich Pflichtgetreu noch einmal suchen? Oder Chade? Ich weiß, dass Ihr noch viel wissen müsst.«
»Nicht jetzt. Ich halte es für das Beste, wenn du deine Gabe eine Weile ruhen lässt.«
Ich nickte. Allein in meinem eigenen Geist fühlte ich mich beinahe leer, als könnte ich meine Gedanken nicht mehr zusammenhalten. Das war mir offenbar anzusehen, denn Kettricken beugte sich vor und legte ihre Hand auf die meine. »Wie wäre es mit etwas Branntwein, Lord FitzChivalric?«
»Bitte«, erwiderte ich, und meine Königin stand auf, um ihn für mich zu holen.
Einige Zeit später öffnete ich die Augen wieder. Ein Schal war um meine Schultern geschlungen, und mein Kinn lag auf meiner Brust. Der Branntwein wartete auf dem Tisch vor mir. Kettricken saß still am Tisch und blickte auf ihre gefalteten Hände. Ich wusste, dass sie meditierte, und ich wollte sie nicht stören. Doch sie schien zu wissen, dass ich erwacht war, kaum dass ich die Augen geöffnet hatte. Sie lächelte mich müde an.
»Meine Königin, ich möchte mich entschuldigen.«
»Du
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