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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Blick zu. Das tat weh, denn wann immer ich als Junge Unfug angestellt und Schwierigkeiten mit Philia bekommen hatte, hatte Litzel sich auf meine Seite geschlagen. Wenigstens schien sie sich von ihrer Ohnmacht gut erholt zu haben. Ihre Wangen hatten schon wieder Farbe bekommen. Nachdenklich stand sie auf und ging in den angrenzenden Raum. Nur wenige Augenblicke später kehrte sie mit drei Teetassen und einer Flache Branntwein auf einem Tablett wieder zurück. Das stellte sie auf den kleinen Tisch, und ich zuckte unwillkürlich zusammen, als ich ihre knochigen Finger sah. Das Alter hatte die geschickten Finger verkrüppelt, die einst Spitze mit schier unglaublicher Geschwindigkeit geklöppelt hatten. »Ich nehme an, wir können das jetzt alle gut gebrauchen. Nicht dass du es dir verdient hättest«, fügte sie kalt hinzu. »Vorhin im Garten hast du mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Ganz zu schweigen von dem Kummer, den ich all die Jahre empfunden habe.«
    »Sechzehn Jahre«, wiederholte Philia noch einmal für den Fall, dass ich die letzten Augenblicke vergessen haben sollte. Dann drehte sie sich zu Litzel um. »Ich habe dir doch gesagt, dass er nicht tot ist! Als wir seinen Körper für die Beisetzung vorbereiteten und ihm die kalten Beine wuschen, habe ich dir gesagt, er sei nicht tot. Ich weiß nicht, woher ich das wusste, aber ich wusste es. Und ich hatte Recht!«
    »Er war tot«, bestand Litzel auf ihrer Meinung. »Mylady, er hatte nicht mehr genügend Atem, um ein Glas zu beschlagen, und sein Herz tat keinen Schlag mehr. Er war tot.« Sie deutete mit dem Finger auf mich. Ich zitterte leicht. »Und jetzt bist du es nicht mehr. Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung dafür, junger Mann.«
    »Es war Burrichs Idee«, begann ich, und bevor ich ein weiteres Wort sagen konnte, warf Philia die Hände in die Luft und rief: »Oh, ich hätte wissen müssen, dass dieser Mann dahinter steckt! Das ist doch dein Mädchen, das er all die Jahre großgezogen hat, nicht wahr? Drei Jahre, nachdem wir dich zu Grabe getragen haben, haben wir ein Gerücht gehört. Dieser Kesselflicker, Hütterer, der so hübsche Nadeln verkauft, hat uns erzählt, dass er Molly in irgendeiner Stadt mit einem kleinen Mädchen gesehen habe. Damals habe ich mich gefragt, wie alt das Kind wohl sein mag. Ich habe Litzel dann erzählt, dass Molly sich immer wie eine Schwangere übergeben und geschlafen hat, als sie so abrupt aus meinen Diensten geschieden ist. Und bevor ich ihr auch nur anbieten konnte, ihr mit dem Kind zu helfen, war sie weg. Deine Tochter, meine Enkelin ! Später habe ich dann erfahren, dass Burrich mit ihr gegangen ist, und als ich mich daraufhin umgehört habe, hieß es, er behaupte, alle Kinder seien seine. Nun, ich hätte es wissen müssen. Ich hätte es wissen müssen.«
    Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass Philia derart gut informiert war. Doch ich hätte es sein sollen. In der Zeit unmittelbar nach meinem Tod war sie die Herrin der Bocksburg gewesen und hatte ein beachtliches Netzwerk von Leuten aufgebaut, die sie ständig auf dem Laufenden hielten. »Ich glaube, ich könnte jetzt einen Branntwein vertragen«, sagte sie leise. Ich griff nach der Karaffe, doch Philia schlug meine Hand beiseite.
    »Ich mach das!«, knurrte sie gereizt. »Glaubst du etwa, du könntest den Toten spielen, für sechzehn Jahre aus meinem Leben verschwinden und dann einfach so hereinspazieren und dir einen Branntwein einschütten ? Unverschämtheit!«
    Sie öffnete die Karaffe, doch als sie versuchte, sich einzuschenken, zitterte ihre Hand derart heftig, dass sie drohte, den ganzen Tisch in Alkohol zu ertränken. Schließlich nahm ich ihr die Karaffe ab und schenkte uns allen ein. Als ich damit fertig war, schluchzte sie. Ihre Frisur, die ohnehin nie lange ordentlich aussah, hatte sich aufgelöst. Wann war sie so grau geworden? Ich kniete mich vor sie und zwang mich, ihr in die trüben Augen zu schauen. Sie verbarg das Gesicht in den Händen und schluchzte noch lauter. Vorsichtig nahm ich ihr die Hände vom Gesicht. »Bitte, glaub mir. Es war nie meine Entscheidung, Mutter. Hätte ich zu dir zurückkehren können, ohne die Menschen, die ich liebe, in Gefahr zu bringen, ich hätte es getan. Das weißt du. Und die Art, wie du meinen Körper für die Beisetzung vorbereitet hast, hat mir vielleicht das Leben gerettet. Danke.«
    »Ein schöner Zeitpunkt, mich >Mutter< zu nennen, nach all diesen Jahren«, schniefte sie. »Und was hatte Burrich

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