Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
Ratgeber zog sich zum Fenster zurück, von wo aus man aufs Meer hinausblicken konnte. Offensichtlich war das jedoch nicht, was Pflichtgetreu wollte. Der Machtkampf zwischen Ratgeber und Prinz ging anscheinend weiter. Ich blickte zu Pflichtgetreu. Er setzte sich neben mich auf einen Stuhl und schob ihn näher zu mir heran. Er sprach leise, und ich erwartete, seine Sorgen ob der Narcheska und der bevorstehenden Hochzeit zu hören. »Ich habe viel mit ihr über dich gesprochen. Im Augenblick ist sie wütend auf dich, aber ich glaube, wenn du ihr Zeit gibst, wird sie sich genug beruhigen, um dir zuzuhören.«
Es dauerte einen Moment, bis ich ihm folgen konnte. »Nessel?«
»Natürlich.«
»Du hast viel mit ihr über mich gesprochen?« Das wurde ja immer besser, dachte ich säuerlich. Pflichtgetreu fühlte meine Bestürzung.
»Ich musste«, sagte er zu seiner Verteidigung. »Sie hat Dinge gesagt wie: >Er hat meine Mutter im Stich gelassen, als sie schwanger war, und ist mich nie besuchen gekommene So etwas konnte ich sie doch nicht sagen lassen, geschweige denn es sie glauben lassen. Also habe ich ihr die Wahrheit erzählt, wie du sie mir erzählt hast.«
»Fitz?« Das kam ein paar Augenblicke später.
»Oh. Tut mir Leid. Danke.« Ich weiß gar nicht mehr, was ich gedacht hatte.
»Du wirst ihre Brüder mögen. Ich jedenfalls tue es. Chivalric ist ein wenig zu sehr von sich selbst überzeugt; aber ich glaube, das ist nur Tarnung, damit ihm niemand anmerkt, wie sehr ihn all die Veränderungen ängstigen. Behende ist ganz und gar nicht wie Flink. Ich habe noch nie Zwillinge gesehen, die einander so unähnlich sind. Standfest wiederum macht seinem Namen alle Ehre, während Recht plappert wie eine Elster. Und Herd - er ist der Jüngste - läuft nur kichernd herum und versucht ständig, seine Brüder und Nessel dazu zu bringen, mit ihm zu raufen. Er hat vor nichts und niemandem Angst.«
»Und sie sind alle zum Erntefest hier.«
»Auf Einladung der Königin, weil Flink und Burrich geehrt werden sollen.«
»Natürlich.« Ich blickte auf den Tisch. Wo passte ich in all dies hinein?
»Nun, das wäre alles, was ich sagen wollte. Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht, und ich glaube, Nessel wird sich schon wieder beruhigen, wenn du ihr Zeit lässt. Sie fühlt sich hintergangen. Davor habe ich dich ja gewarnt. Seltsamerweise glaube ich, was sie am meisten erregt hat, war, dass du einfach so verschwunden bist. Das hat sie irgendwie persönlich genommen. Aber sie wird ihre Meinung über dich überdenken. Gib ihr einfach Zeit.«
»Ich glaube nicht, dass ich in dieser Hinsicht irgendeine Wahl habe.«
»Nein, die hast du wohl nicht. Aber ich wollte nur nicht, dass du einfach so aufgibst, weil du es für hoffnungslos hältst, und dich irgendwohin zurückziehst, wo du ihr aus dem Weg gehen kannst. Dein Platz ist jetzt in Bocksburg ... wie auch ihrer.«
»Danke.«
Er wandte den Blick von mir ab. »Ich kann dir gar nicht sagen, was es für mich bedeutet, sie hier am Hof zu haben. Sie ist so offen und ehrlich. Ich hatte noch nie ein Mädchen zur Freundin wie sie. Ich nehme an, es liegt daran, dass wir Vettern sind.«
Ich nickte. Zwar war ich nicht sicher, wie nahe er damit der Wahrheit kam, aber es freute mich trotzdem. Wenn Nessel die Freundschaft des Prinzen hatte, hatte sie einen mächtigen Beschützer bei Hofe.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte Pflichtgetreu. »Ich habe schon zwei Anproben für mein Festgewand verpasst, und ich schwöre dir, sie werden ihren Ärger an Dick auslassen und ihn >unabsichtlich< mit Nadeln pieken, wenn ich nicht dort bin, um ihn zu verteidigen. Ich sollte mich also besser beeilen.«
Ich nickte auch dazu, und dann war Pflichtgetreu auch schon aufgestanden und aus dem Raum verschwunden, ohne dass ich wirklich bemerkt hätte, wie das geschehen war. Chade stellte ein Glas Branntwein vor mich hin. Ich schaute es an und dann zu ihm. »Du kannst das vielleicht gebrauchen«, sagte er in sanftem Ton. Dann fügte er hinzu: »Der Narr war hier. Vor zwei Wochen. Ich würde eine Menge darum geben zu erfahren, wie er hier immer wieder ungesehen herein- und herausgehen kann, aber er schafft es. Spät in der Nacht habe ich ein Klopfen an meiner Tür gehört, und als ich sie geöffnet habe, stand er da. Natürlich verändert, wie du gesagt hast. Er war braun wie ein Apfelkern. Er wirkte müde und auch ein wenig krank, aber das kann auch an der Reise durch den Pfeiler gelegen haben. Er sprach weder vom
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