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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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die Schultern. Ihre Augen waren farblos, so wie es die des Narren als Kind gewesen waren. Ihr Gesicht war das seine, nur weicher, das einer Frau. Ihre Schönheit wirkte überirdisch, kalt wie das Eis, das sie umgab. Sie saß auf übereinander liegenden Fellen, weißer Bär, weißer Fuchs und Hermelin mit baumelnden schwarzen Schwänzen, auf einem Thron aus Eis. Ihre Robe aus reinster weißer Wolle verbarg nicht ihre weiblichen Rundungen. Um den Hals trug sie eine Kette aus geschnitzten Elfenbeinblüten. Diamanten funkelten darin. Ihre schlanken Hände lagen entspannt auf den mit Pelzen verkleideten Armlehnen ihres Throns. Silberringe mit schimmernden weißen Steinen zierten ihre Finger. Sie blickte zu uns hinunter, die wir vor ihr knieten, und sie wirkte weder überrascht noch erfreut. Vielleicht hatte sie wie der Narr schon immer gewusst, dass es dazu kommen würde.
    Ihr Thron wurde halb von der riesigen Statue eines schlafenden Drachen umschlungen. Der schwarzsilberne Erinnerungsstein, aus dem der Leib gehauen war, glitzerte im Licht der Leuchtkugeln. Das Bildnis bestand jedoch nicht aus einem einzigen Stein, sondern aus Blöcken, die man vermutlich unter großen Mühen aus dem Steinbruch am anderen Ende der Insel hierher geschafft hatte, um sie dann zu einer einheitlichen Skulptur zusammenzufügen. Die Nahtstellen waren dabei so fein gearbeitet, dass man sie kaum erkennen konnte. Der schlafende Drache war riesig, größer als Veritas-als-Drache und doch nicht so groß wie Eisfeuer. Und er war unvollständig. Details fehlten fast gänzlich, sodass er mehr wie die Andeutung eines Drachen und nicht wie ein realitätsnahes Ebenbild wirkte. Sein kantiger Kopf auf dem langen, geschwungenen Hals lag wie eine Stufe vor dem Thron der Bleichen Frau. Die Augen waren geschlossen. Dennoch schauderte ich ob der grausamen Ähnlichkeit. Mit Hilfe der Alten Macht nahm ich die widersprüchlichsten Gefühle wahr: Angst, Hass, Schmerz, Lust und Rachsucht. All das war in den grob behauenen Stein eingearbeitet.
    Die Quelle der sich entwickelnden Essenz des Drachen war offensichtlich. Mehrere fast völlig verausgabte Outislander waren an die Flanken der Statue gekettet. Die Gefangenen zeigten deutliche Folterspuren. Auf diese Weise presste die Bleiche Frau genügend Emotionen aus ihnen heraus. Emotionen und Erinnerungen waren auch das, was eine Gabenkordiale in einen Steindrachen gab, den sie geschaffen hatte, um ihn zum Leben zu erwecken. Ich konnte allerdings nicht verstehen, wie die Bleiche Frau auf den Gedanken kommen konnte, die unharmonischen Erinnerungen gequälter Seelen könnten solch eine Kreatur mit Geist erfüllen. Was würde diese Menschen verbinden und dem Flug des Drachen einen Sinn geben? Die Steindrachen, die ich bis jetzt gesehen hatte, waren das Produkt eines einheitlichen Willens gewesen, die Krönung im Leben der Kordiale, die sie geschaffen hatte. Schönheit hatte sie durchdrungen, egal, welch seltsame Form die jeweilige Kordiale ihrer Schöpfung auch gegeben haben mochte. Selbst der geflügelte Eber hatte sich voller Eleganz in die Luft erhoben. Diese Kreatur hier war jedoch ein Mosaik aus gestohlenem Leid. Was für ein Temperament würde sie haben? Für meine Alte Macht war offensichtlich, dass man die Gefangenen mittels der Wandlung bereits ihrer Menschlichkeit beraubt und diese in den Drachen gezwungen hatte. Womit sie den Drachen nun fütterte, waren die dumpfen Qualen von Wesen, die nicht einmal mehr Tiere waren. Was für eine Art Drache würde das geben? Ein Wesen, entstanden aus Schmerz, Hass und Grausamkeit?
    Zwischen den vorderen Pranken des schlafenden Drachen stand ein zweiter Thron, ebenfalls aus Eis und auch mit Fellen ausgelegt. Das Eis und die Felldecken dieses Throns waren jedoch von menschlichen Exkrementen verdreckt. Darauf angekettet war die Karikatur eines Menschen, gefesselt an Füßen, Armen und Hals. Die schwarze Krone, die der Mann trug, saß schmerzhaft eng auf seinem Kopf, und die Ketten, die ihn hielten, waren mit Edelsteinen besetzt, um ihn in seiner Gefangenschaft zu verspotten. Sein Bart und sein Haar waren lang und matt, die Fingernägel gelb und verkrustet. Die Enden seiner nackten Zehen und Finger waren schwarz von Frostbrand. Abgenagte Knochen lagen verstreut zu seinen Füßen. Bei einem dieser Knochen hätte es sich durchaus um einen menschlichen Armknochen handeln können. Ich wandte den Blick ab. Ich wollte gar nicht wissen, mit was sie ihn fütterten. Und dann, wie ein taubes

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