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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Glied, in das plötzlich das Leben zurückkehrt, fühlte ich das vertraute Kribbeln meiner Gabe. Ich drehte den Kopf wie ein Mann, der plötzlich etwas gehört hat. Das Gefühl wurde nicht klarer, doch ich konnte die Quelle ausmachen. Der wahnsinnige König griff mit der Gabe nach mir. Er fletschte die gelben Zähne und starrte mich mit seinen tief eingesunkenen Augen an. Ich bekam die volle Wucht seines Gabenhasses zu spüren, und sie traf mich wie ein Schlag. Dann war es vorbei, doch nicht weil ich meine Gabenmauern errichtet hatte, sondern schlicht weil meine Fähigkeit wieder verblasste. Entsetzt ob seiner Gabenstärke schnappte ich nach Luft. Dick hätte es vielleicht an Stärke mit ihm aufnehmen können. Ich jedoch wäre nie dazu in der Lage gewesen.
    Es gelang mir, den Kopf wieder zu heben und zu der Frau zu schauen. Ich war erstaunt, als ich ein Lächeln auf ihrem Gesicht sah. Sie hatte auf mich gewartet und mir Zeit gegeben, mich umzuschauen, um zu meinen eigenen Schlüssen zu kommen. Eine lange, elegante Hand deutete auf den gefangenen König. »Kebal Raubart. Aber ich bin sicher, du hast dir schon gedacht, dass nur mein einstiger Katalyst, der so schmachvoll versagt hat, einer solchen Bestrafung würdig ist, FitzChivalric Weitseher. Ich beende nur, was eure Drachen der Sechs Provinzen begonnen haben. Er ist törichterweise hinausgegangen und hat mit dem Bogen auf einen Schwarm Drachen geschossen. Doch allein ihr Vorbeiflug hat ihn einen Großteil seines Verstandes gekostet. Nicht dass er je viel davon gehabt hätte. Für eine gewisse Zeit war er ein nützliches Werkzeug. Er war listig, ehrgeizig, und er kannte den Krieg.«
    Sie stand auf, stieg von ihrer Empore hinunter und trat dabei auf den Kopf des Drachen. Langsam schlenderte sie zu dem verdreckten Thron und dem armseligen Monarchen hinüber und musterte ihren Gefangenen. »Dennoch hat er schlussendlich versagt.« Sie streckte die schlanke Hand nach ihm aus. Raubart blähte die Nüstern und fletschte die Zähne, als wolle er nach ihr schnappen. Die Bleiche Frau schüttelte fast liebevoll den Kopf - wie ein Mann den Kopf über einen Hengst schüttelt, der zu wild ist, als dass man ihm vertrauen könnte. Ihre Stimme klang geradezu süßlich, als sie ihn fragte: »Soll ich dem Drachen noch ein wenig mehr von dir geben, mein Hündchen? Würde dir das gefallen?«
    Die Muskeln um die tief liegenden Augen des verrückten Königs zuckten, während er sich verzweifelt bemühte, sich an etwas zu erinnern. Dann zuckte er vor der Bleichen Frau zurück und hob eine Schulter, als könne er sich so schützen. Ein leise gestöhntes »Neiiin« drang aus seinem Mund.
    »Jetzt vielleicht nicht, aber irgendwann wird er alles von dir bekommen. Wenn ich nichts mehr aus dir wringen kann, werde ich dich auf seinen Rücken werfen und zuschauen, wie du mit ihm verschmilzt. So wird es sein, nicht wahr?« Unvermittelt drehte sie sich zu mir um. »Werden die Opfer für den Drachen kurz vor dem Erwachen nicht vollständig von ihm vereinnahmt? Wenn man eure Gabenkordiale einem Drachen gibt, verschwinden sie dann nicht vollständig in seinem Leib?«
    Ich hielt den Mund, doch nicht nur, um etwas vor ihr zu verheimlichen, sondern auch aus purem Entsetzen. Sie sprach, als würde man eine Kordiale in einen Drachen
zwingen,
nicht als würde diese sich freiwillig hingeben. Ich würde ihr ihre Unwissenheit bestimmt nicht nehmen. Eine meiner Wachen knurrte und hob die Faust, um mich zu strafen, doch sie schüttelte den Kopf und winkte, womit sie mein Schweigen als unbedeutend abtat.
    Stattdessen richtete sie ihren Blick nun auf den Narren, der reglos zwischen seinen Wächtern hing. Zum ersten Mal erschienen Stirnfalten auf ihrem ansonsten makellosen Gesicht. »Ihr habt ihn doch nicht beschädigt, oder? Ich habe euch gesagt, dass ich ihn intakt haben will. Er ist die größte Kuriosität der Welt, die seltenste Kreatur, ein falscher Weißer Prophet. Allerdings verdient er diesen Titel jetzt wohl kaum noch. Seht ihn euch an. Braun wie eine verwelkte Blume. Ist er tot?«
    »Nein, Höchste Frau. Er hat nur das Bewusstsein verloren.« Die Wache klang nervös.
    »Das glaube ich nicht. Schüttelt ihn ein wenig. Er verfügt über die Zähigkeit einer Katze, und ich möchte wetten, dass er genauso schwer zu töten ist. Öffne deine Augen, Geliebter. Begrüße mich noch einmal mit einem Lächeln und einer kleinen Verbeugung, so wie du es einst getan hast, als du noch ein blasses, schmächtiges Kind

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