Die 39 Zeichen 04 - Der Schatz des Pharao
dabei?«
Die ruhige Stimme seiner Schwester stabilisierte ihn. Er wusste nicht, wie es ihr gelang, so ruhig zu bleiben, aber es half ihm. Er konnte sich noch daran erinnern, wie sie in Panik geraten war, als man sie beinahe lebendig begraben hatte. Amy wurde mit jedem Mal tapferer. Er griff in die Tasche seiner Shorts und nahm sein Asthmaspray heraus.
Besser.
Das Geräusch ertönte erneut, beängstigend in seiner sanften Bedrohlichkeit. Er gab sich nicht einmal Mühe, so zu tun, als hätte er es nicht gehört. Er stellte sich eine Mumie vor, mit schwarzen Löchern anstelle der Augen, die Leinenbinden hinter sich herschleifte. Ihr Gehirn war bereits herausgesogen worden, und nun war sie nur noch ein totes Ding, das die Hand nach ihnen ausstreckte …
Komm wieder runter, sagte er zu seinem Herzschlag. Wenn das hier ein Videospiel wäre, würdest du es ziemlich cool finden.
Noch ein schlurfendes Geräusch, noch etwas näher.
Aber es ist kein Spiel!
Was auch immer es war, eine Person oder ein Ding , es jagte sie.
»Wir müssen uns verstecken«, flüsterte Amy. »Die Grabkammer.«
Er wollte, wollte, wollte einfach nicht zurück in die Grabkammer gehen. Der Gedanke allein ließ sein Blut gefrieren. Und dennoch folgte er Amy an den Ort, an dem die Mumie Jahrtausende zuvor gelegen hatte.
Sogar in der Finsternis konnte Irina sich gut orientieren. Sie hörte, wie Amy und Dan Zentimeter um Zentimeter auf sie zukamen. Ihre Augen waren die einer Katze. Sie konnte einen Ausweg aus einer Höhle finden, die sich meilenweit unter der Erde befand, wenn sie musste. Tatsächlich hatte sie das schon einmal getan. Dank des schmutzigen kleinen Jobs in Marrakesch, den sie in den 90ern zu erledigen hatte.
Die Akustik in der Grabkammer verstärkte jedes Geräusch. Sie bewegten sich direkt auf sie zu.
Das war ihre Chance. Endlich gehörten sie ihr. Die Frage war, was genau sie tun sollte. Die Kinder mussten gebremst, ihnen musste Einhalt geboten werden. Sie sollten so viel Angst kriegen, dass sie freiwillig nach Boston zurückkehrten, wo sie hingehörten.
Ihre Giftnägel. Das war immer eine Möglichkeit. Oder wäre eine kleine Explosion besser? Nichts Heftiges, gerade genug, um einen kleinen Einsturz zu verursachen. Wenn sie nur an ihnen vorbeikäme, dann könnte sie den Sprengsatz am Eingang deponieren und ka-bumm . Sie wären sicher eine ganze Weile in der Grabkammer eingeschlossen, vermutete sie. Lange genug, um zu bemerken, dass die Jagd nach den 39 Zeichen ein Spiel für Erwachsene war und keines für Kinder.
Irina bewegte sich leise vorwärts. Amy machte einen zögerlichen Schritt in die Grabkammer hinein. Die Kinder hielten sich bei den Händen. Ohhh! Was für niedliche, wehleidige Feiglinge.
Da! Jetzt wurde ihnen bewusst, dass sie sich in einem Grab befanden. Gleich würden sie anfangen, sich verrückte Gedanken zu machen. Wie ihre Großmutter zu sagen pflegte: Damit werden sie sich ihr eigenes Dach über dem Kopf wegblasen. Verrückte Gedanken führten auf den falschen Weg und versprachen, dass es einen anderen Weg gäbe, den man beschreiten könnte.
Es gab aber nur einen richtigen Weg und der führte über alle anderen hinweg.
Sie waren nun fast bei ihr. Sie konnte ihre Furcht riechen. Sie lächelte, als sie sich weiter auf sie zubewegte. Nur noch einen Millimeter oder zwei … Ihr Fuß stieß gegen etwas.
»Hast du das gehört?«, quiekte Amy.
Irina war nun so nah, dass sie die Hand hätte ausstrecken und sie berühren können. Sie musste nur einen Finger ausstrecken und kratzen.
Ihr Augenlid zuckte. Sie beugte sich nach unten und berührte das, was sie mit der Spitze ihres Turnschuhs berührt hatte. Ihre Finger schlossen sich um ein kleines Buch. Sie steckte es ein.
»Jemand ist hier bei uns«, flüsterte Dan.
Ja, ich bin es, mein kleiner Kamerad. Irina konnte den Schweiß auf Dans Nacken ausmachen. So verletzlich. So nahe.
Aber Moment. Sie sollten besser bei Bewusstsein sein, wenn sich die Explosion ereignete. Wie sollten sie erschrecken, wenn sie bewusstlos waren? Schrecken fühlte man am intensivsten bei klarem Kopf.
Widerwillig schob sich Irina wie ein Geist an den Kindern vorbei. Die Treppe hinauf und hin zur Tür. Die Seitenkammer befand sich nun zu ihrer Linken. In der Tasche hatte sie die Sprengladung.
Irina blieb stehen. Sie stellte die Zeitschaltuhr ein. Sie hielt die Sprengladung in der Hand, bereit sie anzubringen.
Da erinnerte sie sich an die Wandmalereien. An die Königin. An die andere
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