Die 39 Zeichen 08 - Die Entführung am Himalaya
Monument, das sich weiß gegen den grauen Himmel absetzte. »Was ist denn das?«
Ein Angestellter, der gerade eines der Fernrohre reparierte, antwortete ihm: »Das ist die Statue des Bodhidharma.«
»Sie meinen den Typ, der sich die Augenlider entfernt hat?«, platzte es aus Dan heraus.
Der Mann deutete auf den Schlitz für das Kleingeld. »Einen Yuan.«
Dan warf eine Münze ein und das Fernrohr erwachte zum Leben. Er spähte hinein. Die Statue war aus weißem Stein gemeißelt: ein bärtiger Mönch, der mit gekreuzten Beinen auf einem Backsteinpodest saß. Soweit Dan sehen konnte, fehlten ihm weder die Augenlider noch die untere Körperhälfte, allerdings wurde der untere Teil auch von der Robe verdeckt.
Doch das war es nicht, was Dan stutzig machte.
Ich kenne den Typen!
Wo hätte ein Waisenkind aus Boston eine Statue sehen können, die auf einem abgelegenen Berg in China thronte? Im Fernsehen? In einem Schulbuch?
Dan hatte die verschwommene Vision einer weißen Skulptur und … dichtem grauen Fell …
Das Fell einer Katze …
Saladin?
Natürlich! Bei Grace hatte eine kleine Nachbildung dieser Statue auf dem Treppenabsatz gestanden! Das war eines von Saladins Lieblingsplätzen gewesen. Immer wieder war er darum herum gestrichen und hatte sich an dem weißen Porzellan gerieben.
Amy und Dan hatten ihn den Bärtigen Buddha genannt.
Und nun sah er den echten vor sich.
Dan stutzte. Als Grace Cahill noch lebte, hatten sie es nicht gewusst, doch ihre Großmutter hatte bis Unterkante Oberlippe in der Jagd nach den Zeichen gesteckt. Und auch der ganze Wettbewerb war ihre Idee gewesen. Vieles, was Grace im Lauf der Jahre beiläufig erwähnt hatte, war, wie sich später herausstellte, von größter Bedeutung für die Suche gewesen. Es kam Dan fast so vor, als suche sie noch aus dem Grab heraus weiter.
Ein Anflug von Verärgerung über seine Großmutter überkam Dan. Sie hatte ihm in seiner kurzen Kindheit so viel in den Kopf gepflanzt – und noch mehr in Amys –, dass er manchmal das Gefühl nicht loswurde, dass sein Gehirn eine Art Computerfestplatte war, befallen von Dutzenden von Viren, die nur auf ein Signal von außen warteten, um ihr zerstörerisches Werk zu beginnen. Eine Möglichkeit, die Grace aber nie in Erwägung gezogen hatte, war, dass Dan aus dem Wettbewerb aussteigen würde und ihn die vielen Zeitbomben in seinem Kopf dann in den Wahnsinn treiben könnten. Denn Jagd oder nicht: Gegen seine Neugier kam er einfach nicht an.
1. Jonahs Janus-Verbindungen hatten ihn zum Shaolin-Tempel geführt.
2. Das da oben war der echte Bärtige Buddha.
War das ein Zufall?
Ja, klar doch.
Die weiße Statue thronte hoch oben. Es schien beinahe, als schwebe sie am Himmel. Direkt vor Dan führte eine endlose Reihe alter, zerbröckelnder Steinstufen den Berg hinauf.
Eine Million Stufen – so sah es zumindest aus.
Gut, dass ich heute schon meinen Seidenspinner gegessen habe…
Die Energie würde er brauchen.
Dreizehntes Kapitel
»Echt fett, dass ihr Fans seid«, sagte Jonah zu Li Wu Chen.
Der Abt sah ihn missbilligend an. »So lange haben wir gewartet und nun schickt uns der Zweig einen dummen Jungen.«
»Zweig?«, wiederholte Jonah verblüfft. Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Sie meinen – die Janus ?«
»Natürlich die Janus. Wir sind ganz sicher keine Fans deines schrecklichen Krachs. Ja, wir gehören zu der einen wahren Linie der Cahill-Familie in Asien. Wir heißen dich als Sohn von Cora Wizard willkommen.« Li Wu Chens Blick wanderte zu Jonahs Vater. »Und natürlich auch ihren Ehemann, der kein Janus ist.«
Es war, als hätte jemand das Licht angeknipst. Kein Wunder, dass die Führung der Janus-Linie in Venedig Jonah hierher geschickt hatte! Als Vertreter der Janus könnten die Shaolin-Mönche bei der Suche eines Zeichens in diesem Teil der Welt sehr hilfreich sein.
»Sie hat wirklich Humor, meine Frau«, murmelte Broderick leicht verärgert. Seine Daumen zuckten, als wüssten seine Hände ohne Blackberry nichts mit sich anzufangen. »Sie hätte uns ja wenigstens sagen können, dass die Eingeborenen Janus-freundlich gesinnt sind.«
»Immer cool, Paps«, beruhigte ihn sein Sohn. »Sie hat uns an den richtigen Ort geführt – ist doch alles entspannt!«
Das war typisch für Cora Wizard. Sie leitete den Familienzweig wie eine ihrer Veranstaltungen, bei denen sie den Schauspielern wichtige Informationen vorenthielt, sie dann aufeinander losließ und zufrieden zusah, wie die Funken stoben.
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