Die 39 Zeichen 10 - Der Schlüssel zur Macht
Fenster. Also hatten die drei sich ein Hotel gesucht und bis zum nächsten Morgen gewartet.
»Ich wette, dass niemand so viel von dem Gedicht abgekriegt hat wie ich«, sagte Dan stolz. »Sie haben es einfach nicht rausgefunden.«
»Ja, aber wenn man etwas sucht, das mit Shakespeare zu tun hat, kommt man doch schnell auf Stratford-upon-Avon, oder?«, gab Amy zu bedenken. »Sie alle wissen das mit Shakespeare oder sie wären nicht im Globe gewesen. Vielleicht ist uns irgendetwas entgangen. Vielleicht sind die anderen in einem der anderen Shakespeare-Häuser.«
»Warte mal … wie viele Shakespeare-Geburtshäuser gibt es denn?«, fragte Dan. Er versuchte, nicht panisch zu klingen. »Der Kerl ist nur einmal auf die Welt gekommen. Und zwar hier , oder?«
Amy lachte. »Soviel man weiß, ja. Aber es gibt noch vier andere Shakespeare-Häuser in Stratford«, erklärte sie. Sie nahm ein Buch aus dem Rucksack und blätterte darin. »Das, in dem seine Frau aufwuchs; das, in dem seine Mutter aufwuchs; das, in dem seine Tochter und sein Schwiegersohn wohnten; das, in dem seine Enkelin wohnte …«
»Warum haben die nicht einfach jedes Haus konserviert, das er je betreten hat?«, brummte Dan.
»Ach, das wär toll!«, schwärmte Amy.
»Das war ein Scherz, Amy«, sagte Dan. »Ein Scherz .«
»Ich finde jedenfalls, wir sollten auch zu den anderen Shakespeare-Häusern fahren, nur um sicherzugehen«, sagte Amy und sah im Buch nach. »Zuerst könnten wir …«
»Nein«, entgegnete Dan kopfschüttelnd. »Denk noch mal an das Sonett.« Er holte die Papierschnipsel hervor, die sie aus dem Globe gerettet hatten. Am Abend hatten sie im Hotel alles sorgfältig zusammengeklebt. »Sieh mal hier«, er wies mit dem Finger auf eine Zeile, »› dort singen wir für diesen Bard’, der hier gebor’n ward .‹ Du hast gesagt, es müsse ›gebor’n‹ heißen. Wir haben es sogar reingeschrieben. Deshalb müssen wir nur hier suchen, wo Shakespeare geboren wurde. Hier. In diesem alten Haus.«
»›Gebor’n‹, wie hört sich das denn an?«, meinte Nellie.
»Na, ich musste es irgendwie so abkürzen. Die Worte haben mich quasi gezwungen.«
Nellie begann zu lachen. Dann aber starrte sie Dan mit offenem Mund an.
»Gib mal her«, sagte sie und nahm ihm das Papier ab. Sie schien die Zeilen leise zu lesen. Ihr Kopf ruckte dabei vor und zurück, wie wenn sie Musik aus ihrem iPod hörte. »Jambischer Fünfheber«, murmelte sie. »Es muss ein jambischer Fünfheber sein, oder?« Sie beugte sich herab und wühlte in Amys Rucksack. »Hast du auch Bücher über Shakespeares Sonette?«, fragte sie.
»Nein«, entschuldigte sich Amy. »Ich konnte nicht alles kaufen. So viel Platz hatte ich nicht im Rucksack.«
Nellie sprang auf. Sie sah zum Souvenirshop, schüttelte den Kopf und rannte dann zurück in Shakespeares Geburtshaus.
Amy und Dan tauschten einen verdutzten Blick aus und rannten hinterher.
Als sie Nellie eingeholt hatten, war sie schon im ersten Stockwerk, wo Shakespeares Wiege stand, und sprach mit der Museumsangestellten, die zuvor mit Dan geschimpft hatte.
Dan versuchte sich hinter Amy zu verstecken.
»Shakespeares Sonette«, sagte Nellie zu der Frau. »Die sind doch im jambischen Fünfheber verfasst, oder?«
»Oh ja«, bestätigte sie. »Fast ausschließlich. Jambischer Fünfheber, vierzehn Zeilen, im Reimschema abab …«
»… cdcdefefgg«, schloss Nellie, als wären die beiden ganz einer Meinung.
Dan kam es so ähnlich vor, wie wenn Nellie manchmal in irgendeiner Fremdsprache losplapperte; Französisch, Spanisch oder auch Italienisch, die sie so schnell gelernt hatte. Wieder einmal wusste Dan überhaupt nicht, worum es eigentlich ging.
Ach! Auf einmal wurde es ihm klar. Sie lenkt die Museumsaufseherin ab, damit ich die Puppe durchsuchen kann!
Er wünschte, sie hätte ihm gesagt, was sie vorhatte. Er stieß Amy an. Wenn sie ein Stück nach rechts trat, könnte er sich über die Wiege beugen und die Museumswärterin würde ihn nicht sehen. Amy sah ihn an, und Dan deutete ihr mit Handbewegungen an, was er tun wollte.
Amy schüttelte den Kopf und trat näher zu Nellie und der Frau.
Also gut, so könnte es auch gehen.
»Fünfheber«, sagte Amy. »Das sind also fünf Versfüße?«
»Genau«, bestätigte die Frau.
Redeten die drei noch über Gedichte? Seit wann hatten Gedichte Füße?
»Wie fünf Schläge pro Zeile«, erklärte die Shakespeare-Expertin. »Man hört es leichter, wenn man es sich laut vorsagt. Nehmen wir zum
Weitere Kostenlose Bücher