Die 4 Frau
dran«, sagte ich.
Ich stand auf, ging zum Fenster und lugte durch die Jalousie.
Ein paar Reporter hatten auf dem Rasen Posten bezogen, und Kamerateams schleppten Kabel zu den Satelliten-Übertragungswagen, die in einer langen Schlange am Straßenrand standen.
»Jetzt sehe ich sie auch«, sagte ich zu Joe, als ich wieder ins Bett schlüpfte. »Sie haben mich umzingelt. Mist.«
Dann kuschelte ich mich unter die Decke und klemmte das Telefon zwischen mein Gesicht und das Kopfkissen, und schon war mir Joe so nahe, dass ich die Meilen und Zeitzonen, die uns trennten, ganz vergaß.
Wir redeten gut zwanzig Minuten, machten Pläne für ein Wiedersehen, wenn ich wieder in der Stadt wäre, und schickten uns Küsse durch den Äther. Dann stand ich auf, zog mir etwas über, legte ein bisschen Make-up auf und trat vor Cats Haustür.
Sofort stürmten die Reporter auf mich zu und hielten mir einen Strauß von Mikrofonen unter die Nase. Ich blinzelte verschlafen in die Morgensonne und sagte nur: »Tut mir Leid, dass ich Sie enttäuschen muss, aber Sie wissen genau, dass ich keinen Kommentar abgeben kann. Das ist Chief Starks Fall, und Sie werden sich an ihn wenden müssen. Das ist alles, Leute.«
Ich ging zurück ins Haus und lächelte still in mich hinein, während ich die Tür zwischen mir und dem Sperrfeuer von Fragen und »Lieutenant Boxer«-Rufen schloss. Gleich darauf legte ich den Riegel vor und schaltete das Telefon auf stumm. Ich war gerade dabei, unser Brainstorming zu den Morden von der Pinnwand der Kinder abzunehmen, als Cindy und Claire mit einer Konferenzschaltung auf dem Handy anriefen.
»Es ist vorbei«, wiederholte ich Chief Starks Worte. »So hat man es mir jedenfalls gesagt.«
»Und was geht
wirklich
ab, Lindsay?«, fragte meine skeptische, mit einem ausgeprägten sechsten Sinn begabte Freundin Cindy.
»Du bist ganz schön schlau.«
»Mhm. Also, was ist Sache?«
»Na gut – aber bitte nicht zitieren. Der Bursche ist verdammt stolz darauf, dass er einen Platz in der Ruhmeshalle der Psycho-killer ergattert hat. Und ich bin mir nicht so sicher, dass er sich den wirklich verdient hat.«
»Hat er den Mord an deinem John Doe gestanden?«, fragte Claire.
»Sieh an, Butterfly«, sagte ich. »Noch so ein schlaues Köpfchen.«
»Na los, sag schon!«
»Nein, hat er nicht.«
»Und was ist deine Schlussfolgerung?«
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Claire. Ich war echt davon überzeugt, dass derjenige, der diese Leute ermordet hat, auch John Doe auf dem Gewissen hat. Vielleicht habe ich mich geirrt.«
132
Es war eine ungewohnte Erfahrung für mich. Zusammen mit Martha saß ich auf dem Rücksitz eines Streifenwagens. Ich drehte das Fenster herunter, knöpfte meinen Blazer auf und ließ das geschäftige Treiben und die erwartungsvolle Atmosphäre in der Main Street auf mich wirken.
In einer Seitenstraße machte sich eine Blaskapelle bereit, während Pfadfinder und Feuerwehrleute Pritschenwagen für den festlichen Umzug schmückten. Männer standen auf Leitern, um Transparente über die Straße zu spannen, und an den Laternenpfählen flatterten Fahnen. Ich konnte fast schon die Hotdogs vom Grill riechen. Es war der vierte Juli – der Nationalfeiertag.
Mein neuer Freund Officer Noonan ließ uns vor dem Polizeirevier aussteigen, wo Chief Stark vor einer dicht gedrängten Schar von Schaulustigen und Reportern stand.
Während ich mich durch die mindestens sechs Reihen tief stehende Menschenmenge drängte, trat gerade Bürgermeister Tom Hefferon aus dem Polizeigebäude. Er trug Khaki-Shorts, ein Polohemd und einen Anglerhut, der die kahle Stelle an seinem Hinterkopf bedeckte. Er reichte mir die Hand und sagte: »Ich hoffe, Sie werden ab jetzt immer Ihren Urlaub in Half Moon Bay verbringen, Lieutenant Boxer.«
Dann tippte er mit dem Finger an ein Mikrofon, und das Gemurmel der Menge ebbte ab.
»Hallo allerseits. Danke, dass Sie gekommen sind. Das ist wahrhaftig ein Unabhängigkeitstag«, sagte er mit bebender Stimme. »Wir sind frei und können endlich wieder zur Normalität zurückkehren.«
Er hob die Hand, um den Applaus abzuwehren. »Ich übergebe an unseren Polizeichef Peter Stark.«
Der Chief war in voller Uniform, die Messingknöpfe und das Abzeichen glänzten auf seiner Brust, und um die Hüfte trug er seinen Pistolengurt. Als er dem Bürgermeister die Hand schüttelte, zog er die Mundwinkel nach oben, und – tatsächlich – er lächelte. Dann räusperte er sich und beugte sich über
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