Die 4 Frau
einsamen Kreuzung zuflüsterte: »Hier musst du abbiegen.«
Das Geknalle und Geknatter der Nationalfeiertags-Pyrotechnik über unseren Köpfen ließ meinen ohnehin schon überhöhten Adrenalinspiegel noch weiter ansteigen. Es hatte einfach zu viele Schießereien gegeben in letzter Zeit, und in meinen Ohren klang jeder Böller wie ein Schuss aus einer Maschinenpistole.
Ich gab Gas und manövrierte den Bonneville um die engen Kurven der ungeteerten Cliff Road. Das Heck schlitterte wild hin und her wie bei einem Stock-Car-Rennen. Keiths vorwurfsvolle Stimme tönte in meinem Kopf: »
Das können Sie nicht machen, Lindsay. Das ist ein Luxuswagen. Damit fährt man nicht Karussell
.«
Ich brauste durch einen dichten Tunnel aus Eukalyptusbäumen, und als wir am anderen Ende herauskamen, breitete sich ein weites Bergpanorama vor uns aus. Rechts vor uns entdeckte ich ein rundes, weiß verputztes Haus, das sich dicht an den Hang schmiegte.
Ich schaute noch einmal in den Innenspiegel. »Und jetzt, Ali? Wie weit ist es noch?«
Allison deutete auf das runde, turmartige Gebäude. Und dann hielt sie sich die Hände vor die Augen. Ihre Stimme war so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte.
»Wir sind da.«
137
Ich hielt am Straßenrand und spähte zu dem Haus auf, einem dreistöckigen Turm aus verputz tem Mauerwerk und Glas. Hinter den Parterrefenstern blitzten sporadisch zwei schmale Lichtstreifen auf.
Taschenlampen
.
Der Rest des Hauses war dunkel.
Ganz offensichtlich waren dort Leute, die in dem Haus nichts zu suchen hatten. Ich klopfte die Taschen meiner Jeansjacke ab, und das flaue Gefühl in meinem Magen setzte schon ein, bevor ich endgültige Gewissheit hatte: Ich hatte mein Handy auf dem Nachttisch liegen lassen. Ich konnte es vor mir sehen, an den Radiowecker gelehnt.
Das war, milde ausgedrückt, ziemlich schlecht.
Ich hatte kein Funkgerät, keine Verstärkung, und ich trug keine kugelsichere Weste. Falls da drin gerade ein Verbrechen verübt wurde, wäre es keine sonderlich gute Idee, allein reinzugehen.
»Ali«, sagte ich. »Ich muss zuerst Hilfe holen.«
»Das geht nicht, Lindsay«, sagte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. »
Sie werden alle sterben
.«
Ich drehte mich um und legte ihr die Hand auf die Wange. Alis Mundwinkel waren herabgezogen, und der vertrauensvolle Blick, mit dem sie mich ansah, zerriss mir das Herz.
»Leg dich flach auf den Rücksitz«, sagte ich zu dem kleinen Mädchen. »Warte auf mich und rühr dich nicht vom Fleck, bis ich zurück bin.«
Ali tauchte ab und presste ihr Gesicht auf das Polster. Ich legte ihr die Hand auf den Rücken und tätschelte sie zärtlich. Dann stieg ich aus und klappte leise die Tür hinter mir zu.
138
Das hügelige Gelände war in helles Mondlicht getaucht, und die langen Schatten ließen das Auge Spalten und Schluchten sehen, wo keine waren. Ich rückte in der Deckung des Unterholzes am Straßenrand vor und umrundete das Grundstück, bis ich an der fensterlosen Hangseite des Hauses angelangt war.
Ein Geländewagen der gehobenen Klasse parkte davor, in der Nähe einer schlichten hölzernen Eingangstür. Der Türknauf ließ sich leicht drehen. Ich schlüpfte hinein und stand in einem kahlen Vorraum.
Im Dunkeln tastete ich mich voran, zunächst in eine geräumige Küche und von dort weiter in einen großen Salon mit hoher Decke, erfüllt von weißem Mondlicht.
Dicht an der Wand entlang schob ich mich voran, wich langen Sofas und großen Töpfen mit Palmen und Pampasgras aus, und als ich auflugte, sah ich gerade noch den Strahl einer Taschenlampe im oberen Flur verschwinden.
Ich zog meine Waffe und eilte die Treppe hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Oben angelangt, ging ich sofort in die Hocke.
Ich hielt den Atem an und lauschte angestrengt, bis ich leise Stimmen aus einem Zimmer am Ende des Flurs hörte.
Und dann zerriss ein schriller Schrei die Stille. Ich rannte auf das Zimmer zu, drehte den Knauf, trat die Tür ein.
Mit einem Blick erfasste ich die Situation. Auf einem breiten Doppelbett saß eine Frau mit dem Rücken am Kopfbrett. Eine schwarz gekleidete Gestalt hielt ihr ein Messer an die Kehle.
»
Hände hoch!
«, schrie ich. »
Lassen Sie sofort das Messer fallen!
«
»Es ist zu spät«, sagte eine Stimme. »Dreh dich einfach um und verschwinde von hier.«
Ich tastete nach dem Schalter und knipste das Licht an. Was ich da sah, war schockierend, entsetzlich, unfassbar. Vor mir, das Messer in der Hand, stand Carolee
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