Die 4 Frau
Lindsay?«
»Nur noch diese Nacht, Mäuschen.«
Cat schaltete das Licht ein und betrachtete die zugespachtelten Einschusslöcher in der Wand.
»Du bist nicht drangegangen«, sagte sie. »Und der Anrufbeantworter war voll.«
»Das waren alles Anrufe von Reportern«, erklärte ich. Mein Herz galoppierte immer noch. »Kannst du mir verzeihen, dass ich euch einen solchen Schrecken eingejagt habe?«
Cat streckte ihren freien Arm aus, zog meinen Kopf zu sich heran und gab mir einen Kuss auf die Wange.
»Du bist eine ganz schön furchteinflößende Polizistin, weißt du das?«
Ich ging mit Cat und den Mädchen ins Kinderzimmer, wo wir uns selbst und die schniefenden Mädchen so gut es ging beruhigten. Wir zogen ihnen die Schlafanzüge an und steckten sie ins Bett.
»Ich habe die Nachrichten gehört«, sagte Cat, als sie die Tür des Kinderzimmers hinter uns schloss. »Ist das denn wirklich wahr? Du hast den Kerl geschnappt, und es war Keith? Ich
kenne
Keith. Ich habe ihn
gemocht
.«
»Tja. Ich habe ihn auch gemocht.«
»Und was ist das für ein Auto, das da in der Einfahrt steht? Das sieht ja aus wie das von Onkel Dougie.«
»Ich weiß. Das ist ein Geschenk für dich.«
»Ach, hör auf. Wirklich?«
»Ja, ein Gastgeschenk, Cat. Ich hoffe, es gefällt dir.«
Ich drückte meine Schwester noch einmal ganz fest an mich. Wie gerne hätte ich gesagt: »Jetzt ist alles gut. Wir haben das Schwein erwischt.« Aber stattdessen sagte ich nur: »Morgen machen wir eine kleine Testfahrt.«
Ich sagte gute Nacht, und während meine Schwester sich ein Bad einließ, ging ich mit Martha den Flur entlang zu meinem Zimmer. Ich schaltete das Licht ein und blieb wie erstarrt auf der Schwelle stehen.
Und fast hätte ich wieder laut geschrien.
135
Carolees achtjährige Tochter Allison saß auf meinem Bett
. Das war schon beunruhigend genug – aber wie sie aussah, beunruhigte mich noch viel mehr. Ali war barfuß, nur mit einem leichten Spitzennachthemd bekleidet. Und sie weinte sich die Augen aus dem Kopf.
Ich legte meine Waffe ab und ging zu ihr hin, kniete mich vor sie und packte ihre schmalen Schultern.
»Ali? Ali, was ist los? Was ist passiert?«
Das Mädchen warf sich an meine Brust und schlang die Arme um meinen Hals. Sie schluchzte und zitterte am ganzen Leib. Ich drückte sie an mich und bombardierte sie derart mit Fragen, dass ihr gar keine Zeit zum Antworten blieb.
»Bist du verletzt? Wie bist die hier reingekommen, Ali? Was ist denn passiert, um Himmels willen?«
»Die Tür war offen«, sagte Allison, »und da bin ich einfach reingegangen.«
Und dann ließ die rätselhafte Wunde, die mir noch verborgen blieb, ihre Tränen erneut fließen.
»Sprich mit mir, Ali«, sagte ich, während ich sie wieder auf das Bett setzte und sie nach Verletzungen absuchte. Ihre Füße waren zerkratzt und schmutzig. Cats Haus war eine Meile von der Schule entfernt, auf der anderen Seite des Highways. Allison hatte diesen Weg zu Fuß zurückgelegt.
Ich versuchte Antworten aus ihr herauszubekommen, aber das schien unmöglich. Ali hing nur an mir wie eine Klette, und aus ihrem erstickten Schluchzen war kein verständliches Wort zu entnehmen.
Ich zog mir eine Jeans über die blaue Pyjamahose und schlüpfte in meine Laufschuhe. Dann steckte ich die Glock ins Schulterholster und zog meine Jeansjacke darüber.
Ich streifte Ali mein Kapuzenshirt über, hob sie hoch und ging mit ihr zur Tür, während Martha im Schlafzimmer zurückblieb.
»Ich bring dich nach Hause, mein Schatz«, versuchte ich das hysterisch weinende Kind zu beruhigen.
136
Cats Forester stand direkt hinter dem Explorer, sodass ich nicht vorbeikam.
Aber der Schlüssel des Bonnevilles steckte, und der Bug des großen goldenen Schiffs zeigte zur Straße.
Also packte ich Ali auf den Rücksitz, schnallte sie an, setzte mich ans Steuer und ließ den Motor an. Mit einem satten
wruuummmm
erwachte er zum Leben. Am Highway 1 angelangt, setzte ich den Blinker, um in die Straße zur Schule einzubiegen, während über uns das Feuerwerk krachte und blitzte. Ich fuhr erschrocken zusammen, als Allison plötzlich »
NEIN!
« schrie.
Im Spiegel sah ich ihr bleiches Gesicht, die weit aufgerissenen Augen. Sie zeigte mit dem Finger in die entgegengesetzte Richtung, nach Süden.
»Du willst, dass ich da lang fahre?«
»
Lindsay, bitte. Mach schnell!
«
Alis Panik war ansteckend. Mir blieb nichts übrig, als dem kleinen Mädchen zu vertrauen, also fuhr ich nach Süden, bis Ali mir an einer
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