Die 4 Frau
solltest.«
Ich lachte. »Gib's zu – du hast genauso schon Blut geleckt. Du kannst ebenso wenig die Finger davon lassen wie ich.«
»Du spinnst doch«, grummelte sie. Dann linste sie zu mir herüber. Mein Grinsen steckte sie an.
»Du machst mich fertig, Lindsay, ehrlich. Aber es sind schließlich deine Finger, die du dir verbrennst, Baby.«
Zehn Minuten später bogen wir hinter Starks Wagen bei Moss Beach vom Highway ab.
70
Die Leichenhalle befand sich im Keller des Seton Medical Center. Der Raum war weiß gekachelt, und die Luft roch so frisch und keimfrei wie in der Gefrierfleischabteilung eines Supermarkts. Im Hintergrund war das leise Summen der Kühlaggregate zu hören.
Ich nickte zwei Spurensicherern zu, die gerade über irgendeinen Ärger mit verwechselten Dienstplänen schimpften, während sie die Kleidungsstücke der Opfer zusammenfalteten und in braunen Papiertüten verstauten.
Dann nahmen die Autopsietische in der Mitte des Raumes meine Aufmerksamkeit gefangen. Der junge Assistent des Gerichtsmediziners säuberte die Leichen gerade mit Schwamm und Wasserschlauch. Als ich näher kam, stellte er das Wasser ab und trat zur Seite.
Joseph und Annemarie lagen nackt und schutzlos im grellen Schein der Lampen. Ihre feucht glänzenden Körper wiesen bis auf die hässlichen Schnittwunden am Hals keine sichtbaren Spuren von Gewalt auf, und ihre Gesichter waren im Tod glatt und faltenlos wie die von Kindern.
Claire rief meinen Namen und riss mich aus meinem stummen Zwiegespräch mit den Toten.
Ich drehte mich um, worauf sie mir einen Mann in blauer OP-Kleidung und Plastikschürze vorstellte, dessen graues Haar von einem Netz bedeckt war. Er war eher schmächtig, ging gebeugt und hatte ein schiefes Lächeln, als litte er an einseitiger Gesichtslähmung oder hätte einen Schlaganfall hinter sich.
»Lindsay, darf ich dir Dr. Bill Ramos vorstellen? Er ist forensischer Pathologe. Bill, das ist Lieutenant Lindsay Boxer von der Mordkommission des SFPD. Es gibt möglicherweise eine Verbindung zwischen diesen Morden und einem ihrer ungeklärten Fälle.«
Chief Stark kam auf uns zu, als ich Ramos die Hand schüttelte.
»Doc, sagen Sie ihr, was Sie mir am Telefon erzählt haben.«
»Warten Sie, ich kann es Ihnen auch gleich zeigen«, sagte Ramos.
Er wandte sich an seinen Assistenten: »He, Samir, ich will mir den Rücken der Frau ansehen. Helfen Sie mir doch mal, sie auf die Seite zu drehen.«
Samir legte Annemaries Knöchel über Kreuz, den linken auf den rechten, während der Pathologe sich über sie beugte und ihr linkes Handgelenk fasste. Dann zogen sie beide gleichzeitig, bis der Leichnam auf der Seite lag.
Ich erblickte insgesamt sieben gelblich verfärbte Male, die das Gesäß der Toten überzogen und sich zum Teil kreuzten; jedes war zirka zwei Zentimeter breit und sieben oder acht Zentimeter lang.
»Es lag eine ungeheure Kraft hinter diesen Schlägen«, sagte Ramos. »Und trotzdem sind sie kaum noch zu erkennen. Jetzt wollen wir mal Mr. Sarducci umdrehen, Samir.«
Zusammen mit seinem Assistenten wälzte der Doktor den männlichen Leichnam auf die Seite. Der Kopf des Toten rollte dabei hilflos hin und her.
»So, und jetzt schauen Sie mal«, sagte Ramos. »Da haben wir das Gleiche wieder. Mehrere schwach erkennbare rechteckige Male, Abschürfungen, die unter großem Druck entstanden sind. Sie haben nicht die rotbraune Farbe, die sie aufweisen müssten, wenn die Schläge dem noch lebenden Opfer zugefügt worden wären, aber es sind nicht die gelblichen, pergamentartigen Abschürfungen, die resultieren, wenn die Schläge
post mortem
erfolgen.«
Der Pathologe blickte auf, um zu sehen, ob ich ihm folgen konnte.
»Versetzen Sie mir einen Schlag ins Gesicht, und schießen Sie mir anschließend zweimal in die Brust. Der Blutdruck wird nicht ausreichen für einen ausgewachsenen Bluterguss im Gesicht, aber
etwas
wird da auf jeden Fall zu sehen sein, wenn mein Herz nach dem Schlag auch nur ein paar Sekunden weiterpumpt.«
Der Doktor griff zum Skalpell, schnitt durch das unverletzte Gewebe am Gesäß der männlichen Leiche und weiter durch einen der blassen Striemen. »Sie können hier die leichte Braunfärbung unter den Abschürfungen sehen; so genannte ›eng umschriebene fokale Blutungen‹. – Blutergüsse, um es allgemein verständlich auszudrücken«, fuhr Ramos fort. »Stimmen Sie mir zu, Dr. Washburn? Der tiefe Schnitt, der die Halsschlagader und den Vagus durchtrennte, führte beinahe
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