Die 4 Frau
Junge durch einen Stromschlag getötet wurde. Er und Sara haben diese Jugendlichen
ermordet
, Yuki. Sam Cabot ist ein Ungeheuer. Das müssen die Geschworenen wissen.«
»Aber soviel ich weiß, wissen sie es eben nicht. Ich kann es mir nicht noch ein zweites Mal erlauben, ihn als Verdächtigen zu bezeichnen, weil noch keine Anklage gegen ihn erhoben wurde. Vielleicht haben die Geschworenen sogar gedacht, dass ich den Jungen nur piesacke, um ihn auf die Palme zu bringen. Das ist mir ja offensichtlich auch gelungen.«
Wir durchquerten Opera Plaza, einen Mehrzweckkomplex mit Restaurants, einem Buchladen und Kinos im Erdgeschoss, und versuchten den Blicken der Passanten auszuweichen, bis wir dann mit dem Aufzug hinunter ins Parkhaus fuhren. Dort irrten wir noch eine Weile zwischen den Reihen geparkter Autos hin und her, bis wir schließlich Yukis Acura gefunden hatten.
Wir schnallten uns an, und Yuki startete den Wagen. In Gedanken war ich schon beim nächsten Morgen.
»Sind Sie wirklich sicher, dass es eine gute Idee ist, wenn ich aussage?«, fragte ich meine Anwältin.
»Ganz bestimmt. Da sind Mickey und ich uns vollkommen einig. Wir müssen das Mitgefühl der Geschworenen für Sie wecken. Und damit uns das gelingt, müssen diese Menschen hören und sehen, aus welchem Holz Sie geschnitzt sind.
Und deshalb müssen Sie unbedingt aussagen.«
94
Am nächsten Morgen blickte ich aus Yukis Küchenfenster in einen grauen Himmel, wo regenschwere Gewitterwolken sich über der Stadt zusammenzogen. Es mag seltsam klingen, aber das war genau das San Francisco, das ich liebte – es konnte mir gar nicht frisch und stürmisch genug sein.
Ich trank meinen Kaffee und fütterte Martha. Dann machten wir einen kurzen Spaziergang über die Jones Street.
»Beeil dich, Boo«, sagte ich. Ich konnte die Feuchtigkeit in der Luft schon spüren. »Heute ist ein großer Tag. Dein Frauchen wird nämlich gelyncht.«
Zwanzig Minuten später holte Mickey uns mit dem Wagen ab. Um Viertel vor acht kamen wir am Gerichtsgebäude an, wodurch wir dem größten Ansturm geschickt zuvorkamen.
Oben im Saal B nahmen Mickey und Yuki nebeneinander Platz und diskutierten im Flüsterton. Yukis Hände flatterten dabei unentwegt wie nervöse kleine Vögel. Ich starrte unterdessen aus dem Fenster auf den dichten Regenvorhang, während die elektrische Uhr an der Wand tickte und die Anspannung von Minute zu Minute stieg.
Ich spürte eine Berührung am Arm.
»Ich sag's Ihnen ganz ehrlich, dieser Alarm war das Schlimmste, was mir je bei einer Gerichtsverhandlung passiert ist.« Mickey beugte sich über Yuki hinweg zu mir herüber. »Es liegt mir ja fern, zu behaupten, dass Broyles diesen Vorfall inszeniert hat, aber zutrauen würde ich es ihm, dass er sich an diesem Kabel zu schaffen gemacht hat.«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst?«
»Ich weiß nicht, aber jedenfalls müssen wir uns um Schadensbegrenzung bemühen. Jetzt sind wir aufgefordert,
unseren
Standpunkt darzulegen, und wir haben zwei Botschaften, die wir rüberbringen müssen. Erstens: Dieser Junge ist ein Monster, auch wenn er im Rollstuhl sitzt; und zweitens: Sie sind eine ausgezeichnete Polizistin.«
»Machen Sie sich nur keine Gedanken wegen Ihrer Aussage, Lindsay«, fügte Yuki hinzu. »Wenn Sie noch besser vorbereitet wären, als Sie es schon sind, würden Sie nicht mehr natürlich klingen. Wenn es so weit ist, schildern Sie ganz einfach, wie es sich zugetragen hat. Nehmen Sie sich Zeit, und denken Sie in Ruhe nach, wenn Sie sich in irgendeinem Punkt nicht ganz sicher sind. Und erwecken Sie nicht den Eindruck, als hätten Sie ein schlechtes Gewissen. Seien Sie schlichtweg die fantastische Polizistin, die Sie sind.«
»Gut«, sagte ich. Und weil doppelt besser hält, wiederholte ich es noch einmal.
Allzu bald begann der Saal sich mit Zuschauern zu füllen. In ihren nassen Regenmänteln strömten sie herein, und manche schüttelten noch rasch ihre Schirme aus. Dann marschierte die Gegenseite auf, und die Anwälte knallten ihre Aktentaschen auf den Tisch. Broyles begrüßte uns mit einem höflich-distan-zierten Nicken, wobei er sich kaum Mühe gab, seinen Triumph zu verbergen. Der Mann war unverkennbar in seinem Element. Court TV, die großen Nachrichtensender, alle wollten sie ein Interview mit Mason Broyles.
Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie Broyles Andrew Cabot die Hand schüttelte und Eva Cabot ein Küsschen auf die Wange gab. Er half sogar der Krankenschwester, Sam Cabots Rollstuhl
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