Die 5 Plage
in der Hand. Er kam auf uns zu und sagte: »Neuer Tag, neue Leiche.« Dann bat er uns, doch bitte ein Stück zur Seite zu treten.
Jacobi und ich sahen aus ein paar Metern Entfernung zu, wie Clapper seine Fotos schoss.
Ich weiß schon, was er finden wird, dachte ich: Drosselmarken am Hals der jungen Frau, keine Handtasche, keine Papiere - und ein blitzsauberes Auto ohne jegliche Spuren.
»Riechst du das auch?«, fragte Jacobi.
Auf diese Entfernung war er nur schwach wahrzunehmen, aber ich kannte den Geruch: ein moschusartiger Duft, der mich an Orchideen erinnerte.
»Caddy-Girls Eau de Toilette«, sagte ich zu meinem ehemaligen Partner. »Weißt du, beim ersten Mal denkt man noch, es sind vielleicht persönliche Motive. Aber ein zweiter Mord? Wieder ein Mädchen? Und dann die äußerlichen Ähnlichkeiten, der makellose Tatort. Die geilen sich an diesen Morden auf, Jacobi. Sie tun das aus Spaß.«
Wir sahen schweigend zu, wie Clappers Leute den Wagen mit Fingerabdruckpulver einpinselten. Ich wusste, dass Jacobi die gleichen unausgesprochenen Fragen im Kopf herumgingen wie mir.
Wer waren diese beiden Mädchen? Und wer war das perverse Mörderteam, das sie auf dem Gewissen hatte?
Was hatte die Morde ausgelöst?
Und was hatte dieses sonderbare Ausstaffieren und Präsentieren der Opfer zu bedeuten?
»Die haben vielleicht Nerven, die Typen«, sagte Jacobi, als der Van der Rechtsmedizin eintraf. »Die Opfer so zur Schau zu stellen. Die haben nicht nur ihren Spaß, Boxer. Die zeigen irgendwem den Stinkefinger.«
37
Ich hob den Hörer meines Diensttelefons beim ersten Läuten ab, als ich sah, dass es Claire war.
»Ich hätte da ein paar vorläufige Befunde zu Jag-Girl«, berichtete sie mir.
»Soll ich runterkommen?«
»Ich bin in ein paar Minuten oben bei dir«, erwiderte sie. »Ich brauche dringend einen Tapetenwechsel.«
Der Duft von Oregano und Salami eilte Claire voraus. Mit einem Pizzakarton und zwei Dosen Diätcola kam sie in mein Büro spaziert und verkündete: »Das Mittagessen ist serviert, Schätzchen. Die vollkommenste aller irdischen Speisen: Pizza .«
Ich befreite meinen Besucherstuhl von Akten, räumte das Zeug von meinem Schreibtisch auf die Fensterbank und deckte die Tafel mit meinen besten Papierservietten und dem Plastikbesteck.
»Ich habe die Treppe genommen«, sagte Claire, während sie sich auf den Stuhl sinken ließ und die Pizza zu zerteilen begann.
»Dann gib sie bloß wieder her. Die brauchen wir später noch.«
»Wie ich bereits vor deinem grauenvollen Witz sagte«, erwiderte sie lachend, »bin ich die Treppe hinaufgestiegen. Drei steile Treppen. Das dürften etwa hundert Kalorien sein, was meinst du?«
»Mmh, könnte hinkommen. Macht wahrscheinlich ein Viertelstück der vollkommensten aller irdischen Speisen aus.«
»Na, wenn schon.« Sie gluckste in sich hinein, während sie mir ein dampfendes Stück Pizza auf den Teller klatschte. »Ich halte nichts davon, mit dem Essen auf Kriegsfuß zu stehen. Das Essen ist nicht der Feind.«
»Friede der Pizza«, sagte ich.
»Friede den Pizzen, Krieg den Kalorien«, rief Claire und prostete mir mit ihrer Coladose zu.
»Ja«, sagte ich. »Schluss mit der Salamitaktik.«
Ich stimmte in Claires herzhaftes, volltönendes Lachen ein - es gibt kaum ein Geräusch, das ich lieber höre. Wenn der Job mal wieder ganz besonders scheußlich ist, fangen wir beide immer an zu albern. Und manchmal hilft es sogar. Wir verputzten die vollkommene Kreation des Pizzaservice um die Ecke in circa zehn Minuten, während Claire mir ihre Erkenntnisse über unsere jüngste unbekannte Tote mitteilte.
»Unter Berücksichtigung der niedrigen Temperaturen der letzten Nacht würde ich Jag-Girls Todeszeitpunkt um Mitternacht herum ansetzen«, sagte sie und beförderte ihre leere Dose mit einem gezielten Wurf in den Mülleimer. »Die Kleider waren erste Güte«, fuhr sie fort, »haben aber schlecht gesessen. Obenrum zu eng, an der Hüfte zu weit, aber diesmal haben immerhin die Schuhe gepasst.«
»Und sie ist nie einen Schritt darin gegangen, habe ich recht?«
»Saubere Sohlen. Und wie bei Caddy-Girl fand sich dieses heftige Parfum nur auf ihren Schamlippen.«
»Wann fängst du mit der Obduktion an?«
»Sobald ich wieder unten bin.«
»Lust auf ein bisschen Gesellschaft?«
Ich rief in Tracchios Büro an und sagte die Teambesprechung ab. Rebellierte ich etwa gegen meine Vorgesetzten? Aber immer. Dann ging ich raus in den Mannschaftsraum und fragte Jacobi, ob er
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