Die 5 Plage
können.
Ich bitte Sie, von der aufwieglerischen Rhetorik der Gegenseite abzusehen und sich auf den Unterschied zwischen menschlichem Versagen und echten ärztlichen Kunstfehlern zu konzentrieren, und ich bitte Sie, zugunsten des Municipal Hospital zu entscheiden.
Die Stadt San Francisco, unsere Stadt, braucht dieses Krankenhaus.«
107
Yuki und Cindy standen auf dem Flur vor dem Verhandlungssaal, mit dem Rücken an die kühle Marmorwand gelehnt, während der Saal sich leerte.
Cindy war ganz aufgeregt, die Reporterin in ihr auf hundertachtzig. »Also, was denkst du?«, fragte sie.
Eine Gruppe von Anwälten der Verteidigung kam zusammen mit einigen leitenden Angestellten des Krankenhauses an ihnen vorbei, in ein Gespräch über den Prozess vertieft. Ein alter Fuchs in grauem Tweed sagte: »Gott sei Dank haben wir Kramer. Hat sich hervorragend aus der Affäre gezogen. Der Mann ist ein Superstar.«
Direkt hinter ihnen rauschte O’Mara mit ihrem Gefolge den Korridor entlang. Die Miene der Anwältin war unergründlich, während sie den Aufzug ansteuerte, dessen Tür sich öffnete, als hätte sie nur auf O’Mara gewartet.
»Yuki?«, fragte Cindy erneut. »Deine Meinung als Expertin? Was glaubst du, wie die Geschworenen entscheiden werden?«
Yuki hörte die Unruhe in Cindys Stimme. Sie wusste, dass Cindy darauf brannte, sich in das Getümmel auf der Treppe vor dem Gerichtsgebäude zu stürzen.
»Beide Seiten haben sich glänzend geschlagen und ihre Sichtweise überzeugend dargelegt«, sagte Yuki. »Wie du weißt, gibt es bei einem Zivilprozess nicht den Begriff des ›begründeten Zweifels‹. Hier wird normalerweise nach dem Grundsatz der ›überwiegenden Wahrscheinlichkeit‹ entschieden. Und da dürfte jeder Geschworene seine oder ihre eigene Definition...«
»Kannst du nicht wenigstens eine Vermutung äußern?«
»Es steht Spitz auf Knopf, Cindy. Vielleicht kommen die Geschworenen auch zu gar keiner Einigung.«
Cindy dankte ihr. »Wir sehen uns nach der Pause«, sagte sie und rannte los in Richtung Treppe.
Yuki wartete auf den nächsten Aufzug, stieg ein und sah zu, wie die Zahlen von vier bis eins nacheinander aufleuchteten.
Sie ging durch die Eingangshalle, vorbei an dem kreisförmigen Empfangsschalter, und trat hinaus in die frische Oktoberluft.
Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich zwei dichte Knäuel von Reportern gebildet, eines um Larry Kramer, das andere um Maureen O’Mara. Sie hielten den Anwälten Mikrofone unter die Nase, während Bild und Ton zu den Satelliten-Übertragungswagen geleitet wurden, die in der McAllister parkten.
Ganz gleich, wie der Prozess ausgehen würde, Kramer und O’Mara genossen schon jetzt eine Medienpräsenz, die mit Geld gar nicht zu bezahlen war.
Als sie an ihnen vorbeiging, musste Yuki an den letzten Prozess denken, in dem sie selbst als Anwältin aufgetreten war. Das war jetzt zwei Monate her, und sie war verdammt gut gewesen. Sie hatte selbst auf diesen Stufen gestanden und war von der Presse belagert worden.
Und es hatte ihr gefallen. Aber wie sehr hatte sie sich in den letzten paar Wochen verändert.
Yukis Wagen stand an einer Parkuhr drei Blocks vom Gericht entfernt.
Sie nahm den Strafzettel von der Windschutzscheibe, steckte ihn in ihre Handtasche, kramte ihre Schlüssel hervor und setzte sich ans Steuer.
Sie schaltete die Zündung ein, und dann saß sie eine Weile einfach nur da und blickte hinaus auf den Verkehr, auf die Passanten, die zielstrebig auf dem Gehsteig an ihr vorbeieilten, ganz von ihren Alltagsgeschäften in Anspruch genommen.
Es war eine Welt, die mit der ihren nichts mehr zu tun hatte. Sie gehörte nirgendwohin.
Eine große Woge der Traurigkeit erfasste sie, so plötzlich, dass sie gar nicht wusste, wie ihr geschah. Sie verschränkte die Arme auf dem Lenkrad, ließ den Kopf darauf sinken und begann zu schluchzen.
108
Es war Abendessenszeit, und ich saß mit Claire im Susie’s. Der Duft von gegrilltem Schweinefleisch und gebratenen Kochbananen ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen, und mein Magen knurrte. Claire erzählte mir von einem ihrer letzten Fälle, der ihr wirklich an die Nieren gegangen war. Sie hatte seit den frühen Morgenstunden daran gearbeitet.
»Ein neunzehnjähriges Mädchen, dem Anschein nach Selbstmord. Hing an einem Verlängerungskabel, das um die Badtür geschlungen war...«
»Um die Tür ?«
»Genau. Ein Ende war am Knauf befestigt, dann war das Kabel unter der Tür durchgezogen und darüber geworfen
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