Die 5 Plage
Augen.«
»Nur um sicherzugehen, dass ich Sie richtig verstanden habe«, hörte ich Cindy sagen. Ihre blecherne Stimme klang ungläubig. »Immer, wenn ein Patient stirbt, legt ihm jemand Knöpfe auf die Augen?«
»Nein, nein, nicht bei jedem Patienten. Nur bei ein paar. Ich hab’s selbst dreimal gesehen, und andere haben sie auch schon gesehen.«
»Ich habe Tausende von Fragen, aber fangen wir doch mit dem Grundsätzlichen an. Wie sehen diese Knöpfe aus?«
»Das sind so Metallknöpfe, wie Münzen, und da ist ein Äskulapstab aufgeprägt. Und bis jetzt ist noch niemand auf frischer Tat ertappt worden.«
»Wie viele Patienten sind mit diesen Knöpfen auf den Augen gefunden worden?«
»Ich weiß nicht. Aber jedenfalls’ne Menge.«
»Sehen Sie da ein Muster? Oder sonst irgendjemand, mit dem Sie gesprochen haben? Gehören die Patienten vielleicht alle einer bestimmten ethnischen Gruppe an, oder haben sie an der gleichen Krankheit gelitten?«
»Ich hab bloß drei gesehen, und die waren alle verschieden. Hören Sie, ich muss jetzt Schluss machen...«
»Eine Frage noch. Bitte. Haben Sie irgendwem davon erzählt?«
»Meinem Chef. Er sagt, da erlaubt sich jemand einen schlechten Scherz. Aber jetzt frag ich Sie - das ist doch unheimlich, oder nicht?«
Noddies Stimme klang plötzlich gedämpft, als hätte sie die Hand auf den Hörer gelegt. Sie sprach mit jemandem. Als sie sich wieder meldete, klang ihre Stimme angespannt.
»Ich muss wirklich Schluss machen. Ich bin im Dienst, und wir haben sehr viel zu tun. Zu wenig Personal.«
»Rufen Sie mich wieder an, falls irgendetwas...«
Cindy schaltete den Kassettenrekorder aus und sah in unsere geschockten Gesichter. Dann blieb ihr Blick an mir haften.
»Lindsay, sag du es mir bitte - vertuscht das Krankenhaus wirklich eine Serie von Morden?«
Ich presste die Lippen aufeinander und stieß mich vom Tisch ab.
In meinem Kopf drehte sich alles.
Ich hatte mich gerade bei Cindy dafür entschuldigt, dass ich von ihr verlangt hatte, einen Artikel nicht zu veröffentlichen, obwohl sie jedes Recht dazu hatte.
Wie konnte ich das Gleiche noch einmal von ihr verlangen?
»Lindsay, du hast es gewusst «, sagte Yuki, die etwas in meiner Miene gesehen hatte, von dem ich nicht gewusst hatte, dass es da war. »Du hast schon vorher von diesen Knöpfen gewusst, nicht wahr? Gib’s zu.«
»Leute, ich kann nicht darüber reden.«
»Lindsay?«, hakte Cindy ungläubig nach. »Du hast von diesen Knöpfen gewusst ? Sag mir, was das zu bedeuten hat! Sag’s mir!«
» Ich werde es euch sagen«, warf Yuki energisch ein. »Irgendjemand versieht diese Patienten mit einem Zeichen. Und bringt sie vielleicht auch um. Es ist arrogant. Es ist psychopathisch. Und nach wem hört sich das an, Lindsay?«
Ich stieß einen gedehnten Seufzer aus, blickte mich nach Loretta um und bestellte noch ein Bier. Plötzlich beugte Yuki sich über den Tisch und packte mein Handgelenk.
»Bitte«, sagte sie. »Lass Garza nicht ungestraft mit Mord davonkommen.«
Ich blickte in Yukis dunkle, traurige Augen. Sie hatte mir aus der Patsche geholfen, als ich sie gebraucht hatte, und außerdem liebte ich sie heiß und innig.
»Wir sind an der Sache dran«, antwortete ich meiner Freundin. »Wenn Garza sich irgendetwas hat zuschulden kommen lassen - was immer es ist -, dann werden wir ihn schnappen.«
110
Auf dem pinkfarbenen Post-it-Zettel, den Brenda an mein Telefon geklebt hatte, stand: »Chief Tracchio will Sie sprechen-SOFORT!«. In die zwei O von »SOFORT« hatte sie grimmige Gesichter gemalt.
Was war denn jetzt schon wieder?
Ich stieg die zwei Treppen hinauf und bahnte mir einen Weg durch das Labyrinth von Schreibtischen zu Tracchios holzgetäfeltem Eckbüro mit Blick auf die schäbigen Ladenfronten der Kautionsmakler in der Bryant Street.
Als ich eintrat, legte Tracchio gerade den Hörer auf. Er wedelte mit einem Blatt Papier vor meiner Nase herum.
»Das ist eine Beschwerde, Lieutenant Boxer. Dr. Dennis Garza beschuldigt Sie, ihn belästigt zu haben. Er sagt, er wird das SFPD auf einen Haufen Geld verklagen. Haben Sie was dazu zu sagen?«
»Soll er doch. Der fantasiert sich doch bloß was zusammen.«
»Kommen Sie mir nicht damit, Lindsay. Wovon redet der Mann?«
Im juristischen Sinne bezeichnet Belästigung gegen eine bestimmte Person gerichtete Äußerungen oder Handlungen, die dieser Person unangenehm sind oder ihr seelisches Leid verursachen, ohne dass ein berechtigtes Interesse des Täters
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