Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte
Immerhin machte sein Gebietsanspruch aus dem geistlichen Oberhaupt gleichzeitig einen weltlichen Herrscher. Ganz behaglich scheint den Päpsten aber ohnehin nicht immer gewesen zu sein, wenn sie das alte Pergament bemühen mussten, denn wie konnte das Geschenk eines weltlichen Kaisers die Vormachtstellung der geistlichen Autorität legitimieren, wenn die doch unmittelbar von Gott komme? Vielleicht wussten sie auch,dass das Dokument gefälscht war, aber das lässt sich heute nicht mehr feststellen.
Schon im 15. Jahrhundert konnte nachgewiesen werden, dass es sich bei der vermeintlichen Urkunde Konstantins um eine Fälschung handelte. Heute geht man davon aus, dass sie irgendwann zwischen 750 und 850 erstellt wurde. Mit ihr begann eine ganze Serie von gefälschten Dokumenten, die das Mittelalter durchzieht. Aber so plump diese Fälschung eines angeblichen kaiserlichen Erlasses auch ausgefallen war − reichlich grobe Fehler lassen sich darin finden −, sie hatte den Päpsten ihre Dienste geleistet.
Der Kirchenstaat, der ursprünglich aus kirchlichen Besitzungen in Rom und Italien bestand und durch Schenkungen und Erbschaften vergrößert werden konnte, umfasste zu seinen besten Zeiten Anfang des 16. Jahrhunderts einen erheblichen Teil Italiens. Seither ging es mit ihm stetig bergab, weil sich die Päpste außenpolitisch nicht behaupten konnten. 1809 fiel er an das Königreich Italien. Sein heutiges Territorium der nunmehrigen Vatikanstadt sicherten die Lateranverträge von 1929. So gesehen, hatte das Papsttum sich mittels der gefälschten Konstantinischen Schenkung den Gebietszuwachs im Verlauf des Mittelalters durch den unrechtmäßigen Anspruch tatsächlich erschlichen. Der Zwergstaat Vatikan unserer Zeit geht aber auf das Patrimonium Petri zurück, den Kern des päpstlichen Hoheitsgebiets vor dem Einsatz der groß angelegten Dokumentenfälschung im Namen des ersten christlichen Kaisers des Römischen Reiches.
Ungarn: Nachfahren der Hunnen?
UNGARN
NACHFAHREN DER HUNNEN?
Dem Volk der Ungarn oder Magyaren kommt in Europa eine Sonderrolle zu. Ganz am Ende der langen Periode der Völkerwanderung und später als die anderen Völker Europas nahmen sie ihr Land erst um 900 n. Chr. in Besitz, und ihre Sprache ist ein Ausnahmefall unter den europäischen Sprachen. Im 10. Jahrhundert mischten die Ungarn ihre neuen Nachbarn ganz ordentlich auf − entlang der südöstlichen Grenze des Frankenreiches, im Großmährischen Reich, in Oberitalien und sogar im Byzantinischen Reich versetzten die magyarischen Reiterscharen insgesamt fast fünfzigmal die Menschen in Angst und Schrecken. Die europäischen Chroniken dieser Zeit beschreiben in grellen Farben, wie grausam diese Heiden und Barbaren über die friedliche Christenheit herfielen − und wie wenig die Überfallenen ihnen militärisch entgegenzusetzen hatten. Die ungarischen Reiterheere waren nämlich ungeheuer beweglich und im Kampf mit Bogen und Säbel bewährt, und da kamen die schwerfälligen christlichen Ritter in ihren Rüstungen einfach nicht mit. Erst mit der Ungarnschlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg 955 machte König Otto, der spätere Kaiser Otto der Große, dem barbarischen Schrecken ein Ende. In den folgenden Jahrzehnten arrangierten sich die Ungarn mit ihren Nachbarn, ließen Missionare ins Land und wurden unter König Stephan I. schließlich Christen. Damit waren die »Nomadenstämme aus der asiatischen Steppe«, die die Geschichtsschreiber des 10. Jahrhunderts nochhilflos als »Geißel Europas« bezeichnet hatten, im christlichen Abendland angekommen.
In Ungarn ist das Bewusstsein, andere Ursprünge zu haben als die übrigen europäischen Völker, noch immer verbreitet und trägt neben der singulären Sprache zu einer gewissen Isolierung bei. Diese vermeintliche Sonderrolle war immer wieder der Auslöser, nach den Ursprüngen der Ungarn und ihrer Sprache zu suchen. Ebenso ist diese Suche nach einem Stammbaum aber auch ein Zeichen für die Ankunft der Ungarn in Europa, denn damals versuchten die anderen Völker Europas genauso, sich mit mehr oder weniger abenteuerlichen Herleitungen eine möglichst ruhmreiche und weit zurückreichende Abstammung zurechtzubasteln. Und die ging vorzugsweise auf das Alte Testament zurück.
Bis heute werden die Ungarn häufig als Nachfahren der Hunnen angesehen. Im Mittelalter bezeichneten westeuropäische und byzantinische Chronisten die Ungarn als skythisches oder hunnisches Reiter- und Nomadenvolk – eine Einordnung, die
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