Die 500 (German Edition)
Er war da. Pünktlich.
Ich hörte, wie sie zu ihm sagte: »Ihr Sohn ist im Ostgebäude, bei der Flavin-Installation. Das ist im oberen Stock. Halten Sie einfach nach Neonröhren Ausschau.«
Das stimmte. Hinter mir befand sich ein Tunnel aus Leuchtstoffröhren in allen Farben des Regenbogens. Nachdem ich einmal durchgegangen war, fühlte ich mich wie Willy Wonka auf Acid.
Ich wartete und hielt die Augen offen. Sollten Rivera und etwaige Helfershelfer den Innenhof vom West- zum Ostgebäude durchqueren und mir eine Falle stellen wollen, hatte ich von hier eine bessere Chance, den Hinterhalt zu entdecken.
Die National Gallery gehörte zum Pflichtprogramm jedes Touristen. Zwischen Schulklassen, gelangweilten Teenagern und dauerfotografierenden asiatischen Tourgruppen entdeckte ich Rivera. Anscheinend war er allein gekommen. Oder seine Begleiter waren Profis, die mir nicht auffielen.
»Scheiße, was ist passiert?«, fragte er, als er mich am Ende der Installation gefunden hatte. Ich trug Sonnenbrille und ein Pflaster über der Nase.
»Nichts.«
»Keine schlechte Idee.«
Um nicht von Polizisten erkannt zu werden, konnte ich schlecht mit einer Sturmhaube durch die Stadt laufen, aber der Verband erfüllte den gleichen Zweck. Mein Gesicht war kaum zu erkennen, die Leute dachten wahrscheinlich, ich hätte mir die Nase gebrochen.
»Also, was haben Sie gegen Davies in der Hand?«, fragte er.
»Ich habe gesehen, wie sein Stellvertreter William Marcus zwei Menschen getötet hat.«
»Sie haben gesagt, Sie hätten Beweise.«
»Ich brauche Immunität«, sagte ich. »Einen Deal mit dem FBI. Ich brauche die Zusage, dass die Mordanschuldigungen gegen mich fallen gelassen werden.«
»Es sieht nicht gut für Sie aus, Mike. Ein Ladenbesitzer in Paris hat sie wiedererkannt. Er behauptet, Sie hätten in der Nacht, als die Morde passiert sind, direkt nach Haskins seinen Laden verlassen. Ihr Kumpel Eric Walker sagt, dass sie was mit dieser Irin am Laufen hatten, dass Sie ihn über ihre sexuellen Vorlieben ausgefragt hätten. Das Stalker-Profil passt zu ein paar Einkäufen, die Sie getätigt haben, besonders diese GPS-Tracker. Eins von den Dingern hat man ein paar Meilen vom Tatort entfernt gefunden. Dann die Geschichte mit den High Heels und dem Polizisten in der Damentoilette.« Er schnalzte mit der Zunge. Es sah nicht gut aus.
»Nach allem, was ich über seine Arbeitsweise weiß, könnte es durchaus sein, dass Davies hinter alldem steckt. Aber dämliche Bullen wie ich mögen ihre Fälle nun mal einfach. Ihnen eine weiße Weste zu verpassen dürfte ziemlich mühselig werden, und ich werde ganz sicher nicht den Märtyrer spielen. Also, was haben Sie in der Hand? Je stichhaltiger die Beweise sind, desto besser, desto weniger steht nur Ihr Wort gegen seins.«
»An was für Beweise hatten Sie gedacht?«, fragte ich.
Von Haskins wusste ich, dass Langford ein paar glasklare Beweise beiseitegeschafft hatte, die Davies mit dem Mord an dem Reporter in Verbindung brachten. Aber das sagte ich Rivera nicht.
Etwas an seiner Art gefiel mir nicht – abgesehen von meiner Abneigung gegen Polizisten. Er schwitzte, zwar nur leicht, aber im Schein der grellrot und lila glänzenden Leuchtstoffröhren war es nicht zu übersehen. Ich wollte noch mehr aus ihm herauskitzeln.
»Hat Haskins Ihnen irgendwas erzählt?«, fragte Rivera. »Oder irgendwas gegeben?«
Ich tat so, als dächte ich über seine Frage nach, sagte aber nichts. Ich wollte, dass er redete, dass er mehr verriet, als er geplant hatte.
»Irgendwelche Beweise, die wir gegen Davies verwenden können?«
Ich bin sicher, er war ein guter Polizist – stur und gleichgültig. Aber er war kein guter Hochstapler. Der Haken bei den meisten Betrügereien ist folgender: Man darf nicht wollen, was man unbedingt will. Man darf sich seine Gier nicht anmerken lassen und muss sogar so weit gehen abzulehnen, wenn das Objekt die Sache, die man haben will, zum ersten Mal anbietet. Man muss seine Rolle weiterspielen, bis man sie vom Objekt förmlich aufgedrängt bekommt. Wenn man danach fragt – nach einer Uhr, Brieftasche, was auch immer –, wenn man seinen Wunsch offenbart, seine Gier nicht zügeln kann, dann hat man augenblicklich alles vermasselt. Die Leute riechen das, und die Sache ist gelaufen. Und Rivera quoll die Gier aus jeder Pore.
»Nein«, sagte ich. »Nichts.«
Ich trat einen Schritt zurück und überdachte meine Fluchtmöglichkeiten.
Rivera hob die Hand und fuhr sich mit einem Finger
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