Die 500 (German Edition)
einzuführen – für den Anfang, wie man Schlösser knackte –, wenn ich aufhörte, mit der Bande meines Bruders dummen, zweitklassigen Halbwüchsigenscheiß abzuziehen. Wahrscheinlich tat ich ihm leid. Vielleicht wusste er, dass er mich sowieso nicht vor Scherereien bewahren konnte, und wollte mir deshalb wenigstens beibringen, wie man es schaffte, nicht geschnappt zu werden. Vielleicht erkannte er aber auch nur ein frühreifes Talent, das er ausnutzen konnte. Was es auch war, er zeigte mir jedenfalls, wie man professionell arbeitet, und brachte mir alles bei, was man wissen muss. Er gab mir Jobs und ersparte mir im Großen und Ganzen, dass ich mein Schicksal mit den älteren Jungen herausforderte. Trotzdem konnte ich meinem Bruder nie etwas abschlagen, was letztlich mein Ruin war.
Zwölf Jahre später und nachdem ich diesem Leben abgeschworen hatte, hatte er mich in seinem Schuppen wieder in flagranti ertappt.
»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte er.
Ich nickte.
»Was brauchst du sonst noch?«
Ich schaute zu der Regalwand voller Einbruchswerkzeuge hoch und deutete auf eine Stahlstange mit Klaue an der Spitze. So eine hatte ich seit zehn Jahren nicht mehr in der Hand gehabt, seit jener Nacht, als man mich bei meinem letzten Bruch verhaftet hatte.
Das Werkzeug wird Halligan-Tool genannt und von Feuerwehrleuten benutzt. Es ist im Wesentlichen eine aufgemotzte Brechstange. Sie hat an einem Ende einen dicken, leicht abgewinkelten, gabelförmigen Keil, den man zwischen Türpfosten und Türblatt rammt, um so jede Tür leicht aufzubrechen. Am anderen Ende befinden sich ein Pickel und eine Hacke. Das New York Fire Department hat das Halligan entworfen, die Idee ist allerdings von Dieben geklaut. Es wird erzählt, dass in den Zwanzigern oder Dreißigern Feuerwehr leute die Asche und den Schutt einer überfallenen und dann abgefackelten Bank in Lower Manhattan durchsuchten und dabei eine maßgeschmiedete Brechstange mit Klaue fanden, die die Diebe zurückgelassen hatten. Die Feuerwehrleute kopierten sie, gaben sie an andere Feuerwachen weiter und verbesserten sie über die Jahrzehnte so weit, bis man damit fast jede Tür in weniger als einer Minute aufstemmen konnte.
Dann kamen Diebe wie ich daher und taten, was man von ihnen erwartet: Sie stahlen sie zurück.
Cartwright holte sie herunter. Mann, wie sich das anfühlte.
Er musterte mich von Kopf bis Fuß. »Schön, dass du wieder da bist, Mike.«
»Sag meinem Dad, dass er sich keine Sorgen machen soll, mir geht’s gut.«
»Klar«, sagte er. »Und mach dir keinen Kopf wegen der Berettas. Die kannst du später bezahlen.«
Von Cartwrights Garage fuhr ich zum nächstgelegenen Greyhound-Busbahnhof, um ein paar falsche Fährten zu legen. Mit meiner Amex-Firmenkarte kaufte ich eine Fahrkarte nach Florida und mit meiner privaten Kreditkarte eine nach San Francisco. Dann verteilte ich Robin-Hood-mäßig die Firmenkarte und alle meine privaten Kredit- und Scheckkarten an die Leute im Wartesaal: an einen weißen Burschen mit Dreadlocks, der eine Flickenjeans trug, an ein Teenagerpärchen, das mich verstört anschaute, und an einen einarmigen Mann, der an einer Flasche Hustensaft nuckelte. Sekunden später waren alle verschwunden.
Da ich von der Polizei keine Hilfe mehr zu erwarten hatte, konzentrierte sich meine ganze Hoffnung auf die Mordbeweise gegen Henry, auf deren Spur Haskins mich gesetzt hatte. Ich musste davon ausgehen, dass Haskins mich nicht auf diesen Langford hingewiesen hätte, wenn er tatsächlich tot wäre.
Ich musste mehr über Langford in Erfahrung bringen und ging in die Reston Regional Library. Da ich noch keine Zeit gehabt hatte, mich umzuziehen, sah ich genauso aus und roch auch wie ein paar Penner, die ebenfalls dort herumhingen. Nach fünf Stunden taten sich ein paar Lichtblicke auf.
Langfords Anwalt war ein Mann namens Lawrence Catena, der anscheinend von seinem Privathaus in Great Falls, Virginia, aus operierte, einem reichen Vorort von DC. Er war auf lebenslängliche Treuhandverwaltung und Gesellschaftsrecht in Delaware spezialisiert. Delaware erlaubt die anonyme Gründung einer Gesellschaft (auch wenn der Gründer nicht Bürger Delawares ist), ohne die Namen der Besitzer oder Manager der Firma offenlegen zu müssen, und lockt somit jede Menge Briefkastenfirmen und dafür arbeitende Winkeladvokaten an. Treuhandgesellschaften und Delaware LLCs – Ge sellschaften mit beschränkter Haftung – sind perfekte Vehikel, um Vermögenswerte
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