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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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durchgeknalltes Lächeln im Gesicht. Er jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken, und ich hatte das Gefühl, als hätte ich ihn schon mal gesehen. Wo genau, fiel mir aber nicht ein.
    Dort sollte ich abbiegen, hatte mein Vater gesagt. Nach etwa einer Meile würde ich dann sein Haus sehen. Das Haus war eine Tankstelle: zwei Zapfsäulen, eine Werkstatt und ein winziger kastenförmiger Lebensmittelladen. Ich schaute in eine der Werkstattbuchten und sah ihn mit einer Schleifmaschine an dem Funken sprühenden Kotflügel eines 70er Cutlass arbeiten. Die Werkstatt war so vollgestopft, dass ich nicht in sein Blickfeld treten konnte. Ich ging ein paar Schritte hinein und hoffte, er würde mich auch so bemerken. Nichts. Schließlich wartete ich, bis er die Schleifmaschine vom Kotflügel nahm und klopfte ihm leicht auf die Schulter.
    Er zuckte zusammen und drehte sich um, wobei er die Schleifmaschine so hoch hielt, als wollte er mir damit den Kopf absäbeln. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich entspannte.
    »Mein Gott, Mike.« Er legte die Maschine auf den Boden und umarmte mich. »Bin immer noch ein bisschen schreckhaft.«
    Merke: Schleiche dich niemals von hinten an jemanden heran, der sechzehn Jahre lang auf seinen Arsch aufpassen musste.
    Es war März, neun Monate nach meinem Dienstantritt bei Davies, einen Monat vor der Katastrophenparty des Abgeordneten Walker, wo mich die Bullen einkassierten. Mein Vater war seit etwa sechs Wochen wieder aus dem Gefängnis. Wir hatten uns natürlich ein paarmal getroffen, aber das war bei Essen und Barbecues unter dem Motto »Willkommen zu Hause« gewesen, wo jeder sich von seiner besten Seite zeigte, zu viel trank und vor Versprechungen überquoll, dass man auf jeden Fall in Kontakt bleiben würde.
    Das war das erste Mal, dass wir unter uns waren, nur er und ich, keine Feierlichkeiten, der normale Alltagstrott. Ich spürte, dass er versuchte, mich zurückzugewinnen, dass er unsere Vater-Sohn-Beziehung kitten wollte, so wie den Cutlass. Ich war dem bislang aus dem Weg gegangen.
    Ich hatte das alles schon einmal durchgemacht, mit meinem Bruder. Ich hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Soweit ich wusste, lebte er in Florida. Er war zu keiner der Entlassungspartys für meinen Vater aufgetaucht. Obwohl Jack dafür verantwortlich gewesen war, dass ich als Neunzehnjähriger fast im Gefängnis gelandet wäre, hatte ich immer versucht, der Nette zu sein, der, der anrief, die Prügel einsteckte und die Familie zusammenhielt. Sogar als er die Schulden für die Behandlungskosten meiner Mutter auf mich abwälzte, schloss ich ihn nicht aus. Sosehr ich es auch wollte. Das war ein Fehler. Alle paar Jahre platzte er in mein Leben, ließ die guten alten Zeiten wieder aufleben und ließ mich erst wieder aus der Bar raus, wenn sie zumachte. Es war immer ein Spaß, am Anfang – wer macht nicht gern mit seinem älteren Bruder einen drauf? Bis ich schließlich begriff, dass der Gauner mir eine Schlinge um den Hals gelegt hatte und sie im mer enger zuzog. Normalerweise zog er mir Geld aus der Tasche oder brauchte einen Unterschlupf für sich und irgendwelchen Abschaum, mit dem er sich gerade eingelassen hatte. Betrüger verlassen sich auf deinen Anstand, deine Freundlichkeit. Zuerst, um sich anzuwanzen, dann, um dich zu verletzen und auszunutzen. Nachdem mir das ein halbes Dutzend Mal passiert war, strich ich ihn aus meinem Leben und ignorierte seine Anrufe, die Appelle an die Familie und die Bitten um Hilfe, mit denen er sich immer wieder zurück in mein Leben drängte. Und als er schließlich begriff, dass nichts mehr aus mir herauszuholen war, habe ich nie wieder von ihm gehört.
    Mit meinem Vater war ich nicht so streng. Meiner Meinung nach hatte ich mich ihm gegenüber mehr als anständig verhalten, als ich ihm durch Henry Davies’ Beziehungen seine Bewährung verschafft hatte. Diese Beste-Kumpel-Tour ging mir schwer an die Nieren. Ich würde ihm nicht einfach so durchgehen lassen, was er der Familie angetan hatte, aber ich würde ihn auch nicht damit quälen. Stellen Sie sich irgendeine unangenehme Arbeit vor, die Sie immer schon erledigen wollten, aber sicher nie erledigen werden: den Keller ausmisten, einen randvollen Schrank ausräumen, alte Klamotten wegwerfen. So war das mit meinem Vater und mir. Im Grunde wollte ich der ganzen Geschichte einfach aus dem Weg gehen. Aber mein Vater rief immer wieder an: hartnäckig, aber nie aufdringlich. Er war wie ich: Willenskraft in rauen

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