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Die 6. Geisel - Thriller

Titel: Die 6. Geisel - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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das Tablett mit seinem Essen auf dem Schoß. Er aß die trockene Hühnerbrust, das wässrige Kartoffelpüree und das harte Brötchen - das Gleiche wie am Abend zuvor -, und kaute alles gründlich, aber ohne Genuss.
    Er wischte sich den Mund mit der braunen Papierserviette ab, knüllte sie zusammen, bis sie so fest und rund war wie eine Murmel, und ließ sie in die Mitte des Tellers fallen.
    Dann legte er das Plastikbesteck fein säuberlich daneben, stand von der Pritsche auf, ging die zwei Schritte zu Tür und schob das Tablett darunter durch.
    Er kehrte zu seinem Stockbett zurück und lehnte sich an die Wand, ließ die Beine über die Bettkante hängen. Von hier aus konnte er die Kombination aus Waschtisch und Toilette zu seiner Linken und die kahle Wand aus Hohlblocksteinen zu seiner Rechten überblicken.
    Die Wand war grau gestrichen; hier und da waren Graffiti in den Beton geritzt, Telefonnummern, Slangausdrücke, Namen von Gangs und Symbole, die er nicht verstand.
    Er begann die Hohlblocksteine in der Wand gegenüber zu zählen, fuhr im Geist die Fugen nach, als wäre der Mörtel, der die Steine zusammenhielt, ein Labyrinth und die Lösung irgendwo zwischen den Blöcken verborgen.
    Ein Aufseher hob das Tablett vor seiner Zellentür auf. Auf seinem Namensschild stand Ozzie Quinn .
    »Zeit für deine Pillen, Fred-o«, sagte Ozzie.
    Brinkley trat an die Gittertür, streckte die Hand aus und
nahm den kleinen Pappbecher mit seinen Tabletten entgegen. Der Aufseher sah zu, wie Brinkley sich den Inhalt in den Mund kippte.
    »Bitte sehr«, sagte Ozzie und reichte einen zweiten, mit Wasser gefüllten Becher durch die Stäbe. Er wartete, bis Brinkley die Pillen hinuntergeschluckt hatte.
    »Zehn Minuten bis zum Zapfenstreich«, sagte Ozzie zu Fred.
    »Müde bin ich, geh zur Ruh«, sagte Fred.
    Er ging zu seiner Matratze zurück, lehnte sich wieder mit dem Rücken an die Wand. Zaghaft begann er zu singen: Ay, ay, ay, ay, Mamacita linda.
    Und dann packte er die Bettkante mit beiden Händen, stieß sich ab und rannte mit dem Kopf voran gegen die Betonwand.
    Und dann noch einmal.

120
    Als Yuki in den Gerichtssaal zurückkam, saß Leonard Parisi neben David Hale am Tisch der Anklagevertretung. Yuki hatte Len sofort angerufen, als sie von Brinkleys Selbstmordversuch gehört hatte. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, ihn im Gericht anzutreffen.
    »Leonard - wie schön, Sie zu sehen!«, sagte sie und dachte bei sich: Verdammt - wird er den Fall übernehmen? Kann er mir das wirklich antun?
    »Die Geschworenen haben kein Problem mit der Geschichte?«, fragte Parisi.
    »Das haben sie jedenfalls dem Richter gesagt. Niemand hat Interesse an einem Prozess ohne Ergebnis. Mickey hat nicht einmal eine Vertagung beantragt.«
    »Gut. Die Chuzpe von dem Kerl gefällt mir«, murmelte Parisi.
    Auf der anderen Seite des Mittelgangs redete Sherman auf seinen Mandanten ein. Brinkleys Augen waren grün und blau. Ein dicker Gazeverband war um seinen Kopf gewickelt, und er trug einen Krankenhauskittel aus hellblauem Baumwollstoff über einer gestreiften Pyjamahose.
    Brinkley stierte auf den Tisch und zupfte an seinen Armhaaren, während Sherman redete. Er blickte auch nicht auf, als der Gerichtsdiener rief: »Bitte erheben Sie sich!«
    Der Richter nahm Platz, goss sich ein Glas Wasser ein und fragte Yuki, ob sie für ihr Schlussplädoyer bereit sei.
    Yuki bejahte.
    Als sie zum Pult ging, hörte sie das dumpfe Ka-dum, ka-dum des Pulsschlags in ihren Ohren. Sie räusperte sich, um den Frosch in ihrem Hals zu lösen, begrüßte die Geschworenen und stürzte sich in ihr Plädoyer.
    »Wir sind nicht hier, um zu entscheiden, ob Mr. Brinkley
psychische Probleme hat«, begann Yuki. »Wir haben alle Probleme, und manche kommen damit besser zurecht als andere. Mr. Brinkley hat ausgesagt, er habe eine wütende Stimme in seinem Kopf gehört, und das mag tatsächlich so sein.
    Wir können es nicht wissen, und es spielt auch keine Rolle.
    Eine psychische Störung ist keine Lizenz zum Töten , meine Damen und Herren, und ob er nun Stimmen gehört hat oder nicht, es bleibt die Tatsache, dass Alfred Brinkley wusste, dass er etwas Unrechtes tat, als er vier unschuldige Menschen hinrichtete, darunter den Unschuldigsten von allen, einen neunjährigen Jungen.
    Wie können wir wissen, dass Mr. Brinkley wusste, dass er etwas Unrechtes tat?«, fragte sie die Geschworenen. »Weil sein Verhalten, sein Handeln , ihn verriet.«
    Yuki machte eine Kunstpause und blickte sich im

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