Die 7 Geheimnisse Der Schildkroete
Wesen, ihr Charakter, ihre Tradition – nennt es, wie Ihr wollt. Man kann solche Gewalttäter doch nicht einfach wüten lassen. Erinnert Ihr Euch noch an den schwarzen Wolf, der mit seinem Rudel den ganzen Wald beherrschen wollte? Es gab keinen anderen Weg, als ihn zu töten! Hätte man ihn einfach gewähren lassen sollen?« »Ach, Yuna«, seufzte Kurma. »Der kürzeste Weg ist nicht immer der beste und der einfachste nicht der wertvollste.«
Ist Gewalt manchmal unvermeidlich? Beispielsweise, wenn Sie angegriffen werden: Bedeutet Friedfertigkeit etwa, den Angriff zuzulassen?
Nicht unbedingt. (Obwohl Jesus lehrte: Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, halte ihm die linke hin! Dieser Rat ist viel klüger, als die meisten Menschen heute glauben.) Es gibt beinahe immer Alternativen. Fast immer sogar mehr als eine. Zum Beispiel:
Flüchten: Das ist oft nicht die schlechteste Strategie, wenn man körperlich angegriffen wird. Was manche als Feigheit bezeichnen, ist oft nur Klugheit. Selbst dann, wenn man dem Angreifer überlegen wäre – mit einer Flucht kann man es vermeiden, ihn zu verletzen.
Verwirren: Das ist eine sehr gute Methode; vor allem dann, wenn es darum geht, Zeit zu gewinnen. Mitunter kann man durch Verwirrung einen Angreifer auch vollkommen aus dem Konzept bringen. Es erfordert allerdings einige Geistesgegenwart, einem Räuber, der einen mit einem Messer bedroht, zu sagen: »Ja, es ist 25 Uhr 78!«
Beruhigen: Jemand, der nicht absichtlich aggressiv wird, sondern wütend ist, kann meist beruhigt werden. Das erfordert aber, dass man ihn ernst nimmt und bemüht ist, ihn auch zu verstehen.
Helfen: Aggression ist immer auch ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Was also liegt näher, als zu helfen? Dafür ist aber natürlich meist ein hohes Maß von Einfühlungsvermögen nötig.
Zusammenhalten: Viele Menschen, die Opfer aggressiver Akte werden, sind ebenso Opfer der Wegschau-Mentalität ihrer Mitmenschen. Wenn ein Mensch bedroht wird und sich mehrere einmischen, wird die Bedrohung meist enden. Dafür muss aber einer den Anfang machen, nicht wegsehen und andere zur Solidarität auffordern.
Schützen: eine überschätzte Möglichkeit. Meist wird die Sicherheit durch gesteigerte Aggression oder Verlust der persönlichen Freiheit erkauft. Und doch ist es immer noch besser als Gewalt.
Belehren: Mit Absicht haben wir diesen Begriff gewählt und nicht »Selbstverteidigung«. Denn die beste Selbstverteidigung ist nicht die, die den Angreifer verletzt, sondern die, die ihm die Unsinnigkeit seines Tuns vor Augen führt. Das beste Beispiel dafür ist die japanische Kampfkunst Aikido, in der es keine Angriffstechniken gibt, sondern die Kraft des Angreifenden umgeleitet wird, sodass er, je aggressiver er angreift, desto härter fällt.
Meisterin Yuna wollte nicht klein beigeben und eingestehen, dass sie durchaus verstanden hatte, was Kurma meinte. »Kurma, es ist ja alles schön und gut, was Ihr sagt. Ich aber sage: Übe Güte gegenüber den Guten und Gerechtigkeit gegenüber den Unguten – so kommt Gerechtigkeit in die Welt.« Kurma lächelte Meisterin Eule freundlich an. »Ich halte es so: Übe Güte gegenüber den Guten und Güte gegenüber den Unguten. So kommt Güte in die Welt.«
In einer Welt, in der es immer noch Ungerechtigkeit, Gewalt, Folter und Diktatoren gibt, scheint es auf den ersten Blick beinahe unmöglich, ohne Gewalt auszukommen. Selbst intelligenten und gutwilligen Menschen erscheint Gewalt oft der einzige Ausweg zu sein. Doch Gewalt führt immer zu Gegengewalt. Ohne Ausnahme. Nur kurzfristig scheinen aggressive Mittel ein Weg zu sein. Doch es gibt – wenn auch noch zu wenige – Beispiele, wie Friedfertigkeit zum Ziel führt.
Vor hundert Jahren war Indien eine britische Kolonie. Engländer regierten und Inder hatten zu gehorchen. Die Gesetze waren ungerecht, und viele Inder sehnten sich nach Unabhängigkeit, die die Briten, schon allein aus wirtschaftlichen Gründen, nicht einmal in Erwägung zogen. Doch dann trat ein junger Inder in der Öffentlichkeit auf, der bereits in Südafrika 22 Jahre lang für eine bessere Behandlung seiner Landsleute gewaltlos gekämpft hatte: Mohandas Karamchand Gandhi. Bei seiner Ankunft in Indien gab ihm der Nobelpreisträger Rabindranath Tagore seinen Ehrennamen, unter dem er heute noch bekannt ist: Mahatma (»Große Seele«).
Mahatma Gandhi war fortan der Führer der indischen
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