Die 7 Geheimnisse Der Schildkroete
indem sie in ihren Geist keine Unruhe einkehren ließ und Gelassenheit bewahrte, den ersten Wettlauf.
In den 60er-Jahren wurde ein kleiner Zeichentrick-Choleriker zur vielleicht bekanntesten Figur des deutschen Werbefernsehens: das HB-Männchen – der geborene Pechvogel, dem alles, was er anfasste, gründlich misslang. Auf der Jagd nach einer harmlosen Fliege zerstörte das mit der Zeitung um sich schlagende Männlein nicht nur kostbares Porzellan, sondern schließlich sein gesamtes Mobiliar. Doch auch wenn es bloß versuchte, den Rasen zu mähen, die Wände zu tapezieren oder aus der Badewanne zu steigen – es ging einfach alles schief! Der nikotinsüchtige Unglücksrabe schimpfte, tobte und ging am Ende jedes Werbespots im wahrsten Sinne des Wortes an die Decke. Nur der Griff zur Zigarettenmarke mit der einfachen Botschaft: »Gut gelaunt geht alles wie von selbst!« konnte ihn retten.
Doch wie macht man das? Wie wird man »gut gelaunt« – und das am besten ohne Nikotin?
Heute ist Zigarettenwerbung im Fernsehen längst verboten. Menschen, die bei jeder Kleinigkeit in die Luft gehen, sind aber weiterhin erlaubt – und auch weit verbreitet. Von guter Laune keine Spur. Dafür sind Unruhe und Unzufriedenheit an der Tagesordnung, sowohl bei anderen als auch bei uns selbst. Manch einem reicht es schon, morgens feststellen zu müssen, dass kein sauberes Handtuch mehr im Schrank liegt. Doch auch ein leeres Marmeladenglas oder ein klemmender Reißverschluss können mitunter geradewegs mitten in die Verzweiflung führen.
Wie kann das sein, dass schon banale Kleinigkeiten uns so sehr aus der Ruhe bringen? Warum bringt es manch einen in Rage, wenn er nicht mit über 200 Sachen auf der Autobahn rasen kann, da auch andere Menschen so »unverschämt« sind, diese zu benutzen – und das, wo andere ihr Ziel in ruhigem Tempo doch offensichtlich genauso gut (wenn nicht besser) erreichen? Und warum genügen oft schon kleine Bemerkungen, um ein trautes Familienfest in ein emotionales Trümmerfeld zu verwandeln?
Eines Tages kam Sindhu, der Esel, zu Kurma, um ihr einen Besuch abzustatten. »Meisterin«, sprach Sindhu, »von Yuna, der Eule, habe ich gehört, dass Ihr wundersame Fähigkeiten besitzt, und so bin ich gekommen, um Euch zu fragen, ob Ihr mir vielleicht weiterhelfen könnt.« Kurma lächelte Sindhu freundlich an und erwiderte: »Ob ich dir helfen kann, vermag ich nicht zu sagen. Dass du dir selbst jedoch helfen kannst, da bin ich mir ganz sicher.« Betrübt erwiderte Sindhu: »Ach, wie sollte ich mir denn selbst helfen? Bei den Tieren im Mangohain gelte ich als stur und bockig. Ob Frosch, Maus oder Affe: jeder fürchtet meine Launen und meidet mich. Und im Grunde weiß ich ja selbst nur zu genau, wie angespannt und unruhig ich oft bin.« Darauf Kurma: »Sindhu, mein Lieber – ob nun Frosch, Maus, Affe oder Esel: Unruhe und Anspannung sind wie Krankheiten – sie können jeden befallen. Doch dein Mangel an Gelassenheit ist eine Krankheit, die du selbst gewählt hast.«
Innere Unruhe scheint nicht unbedingt zu den Dingen zu gehören, die wir uns selbst aussuchen. Daher neigen wir dazu, widrigen Umständen die Verantwortung dafür zu geben, wenn wir die Nerven verlieren. Doch was kommt zuerst: die schlechte Laune oder der unfreundliche Kollege? Sind wir mieser Stimmung, weil unser Mitarbeiter so unfreundlich ist – oder erscheint er uns nur deshalb so unfreundlich, weil wir ohnehin schon verstimmt waren, bevor wir ihn trafen?
Ein Grund für mangelnde Gelassenheit besteht darin, dass wir gerne allerlei Missstände erfinden, die wir dann für unsere schlechte Stimmung verantwortlich machen können:
Juliane steht wie jeden Morgen im Stau. Offensichtlich ist sie heute jedoch ein wenig zu spät losgefahren, und so wird sie sich wohl auch im Büro verspäten. Statt das nun einfach so zu akzeptieren und beispielsweise ein schönes Hörbuch einzulegen, fängt sie an, nach den »Verantwortlichen« zu suchen – nach den Bösewichten, die Schuld daran sind, dass sie sich so aufregen »muss«. »Kein Wunder!«, denkt Juliane aufgebracht. »Bei diesen ewigen Rotphasen kommt hier natürlich keiner mehr durch. Und der Trottel vor mir schläft wahrscheinlich auch gleich ein! Also wirklich – es wird höchste Zeit, dass die Umgehungsstraße endlich fertig wird, aber die Gemeinde plant scheinbar lieber noch einmal ein paar Jahre, bevor endlich etwas passiert. Und überhaupt: Es gibt einfach viel zu viele Autos auf der Welt!
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