Die 7 Suenden
Brandopfer zu machen. Doch mein Talent zur Lösung kniffeliger Rätsel prallte am Ausmaß der Zerstörung ab. Zuerst das Feuer, dann das Wasser und die Aufräumarbeiten hatten dafür gesorgt, dass wir einen denkbar unbrauchbaren Tatort vorfanden.
Falls es je Fingerabdrücke gegeben hatte, dann waren sie längst schon verwischt. Haare, Fasern, Blutstropfen, Fußabdrücke, Quittungen, Notizen, das alles konnten wir vergessen. Wenn wir keinen Bombenzünder oder Spuren eines Brandbeschleunigers fanden, dann konnten wir uns nicht einmal sicher sein, dass dieses Feuer von der gleichen Person gelegt worden war wie die anderen, die wir im Augenblick untersuchten.
Das schlüssigste Indiz waren die Begleitumstände, die weitgehend mit den Bränden in den Häusern der Malones und der Meachams übereinstimmten.
»Die Opfer waren ein Ehepaar, George und Nancy Chu«, sagte Jimenez jetzt. »Sie war Lehrerin und er so was wie ein Finanzberater. Sie waren brave Steuerzahler, rechtschaffene, gute Nachbarn und so weiter und so fort. Keinerlei offenkundige Verbindung zu irgendwelchen Gaunern. Ich kann Ihnen die Polizeiberichte von den Befragungen der Nachbarn faxen.«
»Was ist mit dem gerichtsmedizinischen Befund?«, sagte ich.
Conklin platschte hinter mir durch die Ruine. Er stieg langsam das Treppenskelett empor, das immer noch aus der hinteren Wand ragte.
»Der Rechtsmediziner ist gar nicht erst verständigt worden. Ähm, der Feuerwehrhauptmann hat den Brand offiziell als Unfall deklariert. Nancy Chus Schwester hat die Leichen dann so schnell wie möglich vom Beerdigungsinstitut abholen lassen.«
»Der Hauptmann hat keinen Anlass gesehen, die Rechtsmedizin zu verständigen?«, rief ich. »Und das, wo wir es in San Francisco gerade mit einer mutmaßlichen Mordserie im Zusammenhang mit genau solchen Hausbränden zu tun haben!«
»Wie gesagt«, sagte Jimenez und starrte mich aus seinen dunklen Augen durchdringend an. »Mir hat man ja auch nichts gesagt. Als ich endlich hier war, da waren die Leichen abgeholt und das Haus mit Brettern vernagelt. Und jetzt werde ich von allen Seiten nur angemault.«
»Wer mault denn noch?«
»Sie kennen ihn. Chuck Hanni.«
»Chuck war hier?«
»Heute Morgen. Wir haben ihn als Berater hinzugezogen. Er hat gesagt, dass Sie gerade ein paar ähnliche Fälle bearbeiten. Und bevor Sie sagen können, ich hätte es Ihnen verschwiegen: Kann sein, dass wir eine Zeugin haben.«
Hatte ich richtig gehört? Eine Zeugin? Ich starrte zu Jimenez hinauf und klammerte mich an die Hoffnung auf einen Durchbruch in diesem Fall.
»Die Feuerwehr hat die Tochter der Chus bewusstlos draußen auf dem Rasen entdeckt. Sie ist mit einem Kohlenmonoxidgehalt von siebzehn Prozent ins St. Anne’s Children’s Hospital eingeliefert worden.«
»Kommt sie durch?«
Jimenez nickte. »Sie ist bei Bewusstsein, aber ziemlich stark traumatisiert. Bis jetzt hat sie noch kein Wort gesagt.«
57
In irgendeiner Ecke im zweiten Stock des Hauses von George und Nancy Chu klingelte wiederholt ein Telefon. Ich wartete, bis die traurigen Klingeltöne und ihr Echo verhallt waren, dann erkundigte ich mich bei Jimenez nach Namen und Alter der Tochter.
»Molly Chu, zehn Jahre alt.«
Ich kritzelte die Angaben in mein Notizbuch, trippelte um einen durchnässten Schutthaufen herum und ging zur Treppe. Ich rief nach Rich, der bereits wieder auf dem Weg nach unten war. Noch bevor ich ihm von Molly Chu erzählen konnte, zeigte er mir ein Taschenbuch mit verkohlten Rändern.
Der Umschlag war noch so weit intakt geblieben, dass ich den Titel erkennen konnte: Fire Lover von Joseph Wambaugh.
Ich kannte das Buch.
Es war ein Tatsachenbericht über einen Serienbrandstifter, der in den Achtziger- und Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts ganz Kalifornien terrorisiert hatte. Der Klappentext auf der Rückseite bestand aus der Schilderung einer fürchterlichen Szene, einem Feuer, das einen riesigen Heimwerkermarkt zerstört und vier Menschen das Leben gekostet hatte, darunter auch ein zweijähriger Junge. Während es brannte, saß ein Mann in seinem Auto und nahm alles, was sich da draußen abspielte, durch den Rückspiegel auf Video auf... die ankommenden Löschzüge, die ausschwärmenden Feuerwehrmänner, die das Unmögliche zu vollbringen und das Inferno zu löschen versuchten, selbst als nur wenige Häuserblocks entfernt zwei weitere unerklärliche Feuer ausbrachen.
Der Mann im Auto war ein Brandursachenermittler, John Leonard Orr, ein Captain
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