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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Bezirkshauptmann ein. Die Kriminalistik ist auf Klugheit und Freundlichkeit aufgebaut. Haben Sies gesehn, wie ich ihn im Ansturm der Fragen ertränkt habe? Wer hätt das von ihm gedacht. Er sieht so blöd und dumm aus, aber grad solchen Leuten muß man klug beikommen. Jetzt sperrt ihn vorläufig ein, und ich geh das Protokoll darüber aufsetzen.«
    Und noch am nämlichen Nachmittag gegen Abend schrieb der Wachtmeister mit freundlichem Lächeln das Protokoll, in dem jeder Satz das Wort enthielt: »Spionageverdächtig.«
    Je länger Gendarmeriewachtmeister Flanderka in seinem merkwürdigen Amtsdeutsch schrieb, desto klarer wurde ihm die Situation, und als er schloß: »So melde ich gehorsamst, daß der feindliche Offizier heutigen Tages aufs Bezirksgendarmeriekommando in Pisek überliefert wird«, lächelte er ob seinem Werk und rief dem Postenführer zu: »Haben Sie dem feindlichen Offizier was zu essen gegeben?«
    »Nach Ihrer Anordnung, Herr Wachmajster, versehn wir nur diejenigen mit Nahrung, die bis zwölf Uhr vorgeführt und verhört wern.«
    »Das ist eine große Ausnahme«, sagte würdevoll der Wachtmeister, »das ist ein höherer Offizier, einer vom Stab. Das wissen Sie, die Russen wern nicht einen Gefreiten spionieren schicken. Lassen Sie ihm im Gasthaus ›Zum Kater‹ ein Mittagmahl holen. Wenns schon nichts gibt, solln sie was kochen. Dann solln sie Tee mit Rum kochen und alles herschicken. Sagen Sie nicht, für wen es ist. Erwähnen Sie überhaupt zu niemandem, |269| wen wir hier haben. Das ist ein militärisches Geheimnis. Und was macht er jetzt?«
    »Er hat um bißchen Tabak gebeten, sitzt im Wachzimmer und benimmt sich so zufrieden, wie wenn er zu Haus sitzen möcht. ›Hübsch warm habt ihrs hier‹, hat er gesagt, ›und der Ofen raucht euch nicht? Mir gefällts hier sehr gut bei euch. Und wenn euch der Ofen rauchen möcht, so laßts den Kamin durchziehn. Aber erst nachmittag, und nie, wenn die Sonne überm Kamin steht.‹«
    »Ist das aber ein raffinierter Kerl«, sagte der Wachtmeister mit einer Stimme voll Begeisterung, »er tut, wie wenn ihn das nichts angehn möcht. Und weiß doch, daß er erschossen werden wird. So einen Menschen müssen wir uns schätzen, wenn er auch unser Feind ist. So ein Mensch geht in den sichern Tod. Ich weiß nicht, ob wir das imstande wären. Wir würden vielleicht wanken, nachlassen. Aber er sitzt ruhig und sagt: ›Hübsch warm habt ihrs hier, und der Ofen raucht euch nicht.‹ Das sind Charaktere, Herr Postenführer. Dazu gehören stählerne Nerven bei so einem Menschen, Selbstverleugnung, Härte und Begeisterung. Wenns in Österreich so eine Begeisterung gäbe – aber lassen wir das lieber. Auch bei uns gibts Enthusiasten. Haben Sie gelesen, was in der ›Národni Politika‹ von dem Artillerieoberleutnant Berger gestanden ist, der auf eine hohe Tanne geklettert ist und sich dort auf einem Ast einen Beobachtungspunkt eingerichtet hat? Wie die Unsrigen zurückgewichen sind und er schon nicht hinunterkriechen konnt, weil er sonst in Gefangenschaft geraten war? Er hat also gewartet, bis die Unsrigen den Feind wieder vertrieben hatten, und es hat volle vierzehn Tage gedauert, bevors so weit war. Volle vierzehn Tage war er oben auf dem Baum, und damit er nicht vor Hunger stirbt, hat er den ganzen Gipfel abgenagt und hat sich von Zweigerln und Nadeln genährt. Und wie die Unsrigen gekommen sind, war er schon so schwach, daß er sich nicht mehr auf dem Baum hat haltn können, ist hinuntergefalln und hat sich erschlagen. Er ist nachm Tod mit der goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet worden.«
    Und der Wachtmeister fügte ernsthaft hinzu: »Das ist Opfermut, |270| Herr Postenführer, das ist Heldentum! – Da schau her, wie wir uns wieder verplauscht haben, laufen Sie jetzt, und bestellen Sie das Mittagmahl, und schicken Sie ihn derweil zu mir.«
    Der Postenführer führte Schwejk ins Zimmer; der Wachtmeister bedeutete ihm freundschaftlich, sich zu setzen, und begann ihn auszufragen, ob er Eltern habe.
    »Nein.«
    Dem Wachtmeister fiel sofort ein, daß dies besser sei, wenigstens würde diesen Unglücklichen niemand beweinen. Dabei blickte er unverwandt in das gutmütige Antlitz Schwejks, klopfte ihm plötzlich in einem Anfall von Gutmütigkeit auf die Schulter, neigte sich zu ihm und fragte ihn in väterlichem Ton: »Nun, und wie gefällts Ihnen in Böhmen?«
    »Mir gefällts in Böhmen überall«, entgegnete Schwejk, »auf meiner Wanderschaft hab ich überall sehr

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