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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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stand. Die Haare hatten sich an den Ecken weit über die Stirn hinauf zurückgezogen. Der alte entschlossene Ausdruck war in seinem Gesicht. Der hatte sich sogar verstärkt.
    Sebastian hinkte ein wenig. Es war, als drückte ihn der Schuh und er wolle mit jedem Schritt den Fuß darin zurechtrücken. Er ging sein gewohntes Tempo, im Stadtpark setzte er sich auf eine Bank in die Sonne.
     
    Sebastian wohnte in der Heumühlgasse in der Nähe des Naschmarkts. Wir wunderten uns beide darüber, dass wir uns nicht längst schon über den Weg gelaufen waren. Er hatte Zeit für mich.
    Ihm gehörte eine Wohnung unter dem Dach, sehr gemütlich, sehr geschmackvoll eingerichtet, vier Zimmer, eine geräumige Küche. Daraus durfte geschlossen werden, dass es ihm – finanziell zumindest – gutging. Von der Bibliothek aus führte eine Wendeltreppe aufs Dach, dort hatte er sich ein Schreibhaus bauen lassen – vier mal vier Meter, schätzte ich, zwei Schreibtische, eine Bücherwand, ein Sofa, eine Stereoanlage von Bang & Olufsen, ein Laptop von Apple. Es war der schönste Raum in seiner Wohnung, große Fenster nach zwei Seiten, viel Papier. Eine Tür führte hinaus aufs Dach. Im Winter sei es draußen zu kalt, im Sommer zu heiß, aber im Frühling – »Du wirst sehen!« – sei es so schön, dass er sich auch nach zwölf Jahren nicht daran gewöhnt habe. – Dies war nun mein Zimmer.
    Er zeigte mir, wie die Waschmaschine und der Wäschetrockner im Badezimmer funktionierten und wie die Regelung der Heizung und wie der Herd in der Küche; setzte mich in Kenntnis, dass zweimal in der Woche, Dienstag und Donnerstag, jeweils nachmittags eine Zugehfrau saubermache und die Wäsche richte. Meine Schmutzwäsche solle ich einfach zu seiner in den Korb im Bad geben. Ob ich gern Roggenbrot äße. Er habe ein Dutzend kleine Laibe im Tiefkühler eingefroren, am Abend nehme er einen heraus, zum Frühstück sei er wie frisch. Er könne im Morgenmantel frühstücken und müsse vorher nicht aus dem Haus.
    Von früher redeten wir nicht. Wir neckten einander, wie wir es früher getan hatten, das schon. Ich bemerkte vieles an ihm, was mich an ihn erinnerte. Ihm ging es nicht anders bei mir. Die Ironie fand ich wieder an allen Ecken und Enden seines Gesichts. Die Art, wie er mich ansah, wenn ich sprach, nicht in die Augen sah er mir, sondern auf den Mund. Er hatte immer noch eine Vorliebe für herbstliche Farben in Hemden und Hosen, Flanell und Schnürlsamt.
    Ich kochte uns etwas aus dem Gemüse, das ich im Kühlschrank fand, Sardellenpaste war da, auch eine halbe Tube Tomatenmark und ein angebrochenes Paket Bandnudeln. Er war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Er trank keinen Alkohol. Er bot sich an, bei einem der Lokale auf dem Naschmarkt ein paar Flaschen Bier zu holen. War nicht nötig. Seit etlichen Jahren kämpfe er wieder mit den Zigaretten. Nachdem er mehr als zehn Jahre nicht mehr geraucht habe. Wir rauchten eine von den seinen, eine gute alte starke Camel. Zum Fenster hinaus rauchten wir. Die nächste rauchten wir oben auf dem Dach. Die Kippen drückten wir in Erdtöpfe aus Aluminium, die entlang der Mauer aufgestellt waren. Im Sommer wüchsen hier Paradeiser, sagte er. Ein bisschen experimentiere er mit Paradeisern. Die schmeckten gut, seien gesund und machten nicht dick. Er beneide mich um meine schlanke Figur. Einen Hometrainer habe er sich angeschafft. Aber er sei zu faul. Außerdem fürchte er sich vor nichts mehr als vor der Langeweile, und es gebe nichts Langweiligeres, als eine Stunde lang auf einem Fahrrad zu sitzen, das kein Fahrrad sei. Ich schlug ihm vor, er solle mich für Kost und Logis als seinen Koch anstellen. Er würde nur Gesundes zu essen bekommen, und das regelmäßig.
    Ich schlief in einem sauberen, nach Lavendel duftenden Bett und blickte hinaus auf die Sterne.
    Am Morgen erklärte ich ihm meine Lage. Dass ich keinen Beruf hatte, keine Bleibe, nicht eine Münze Geld. Und dass nichts in Aussicht sei. Dass ich nie Sozialversicherung eingezahlt hatte. Dass ich auf nichts Anspruch hatte. Dass ich aber bei Sinnen sei.
    Er sagte: »Ich weiß nicht, wie lange wir beide es zusammen in einer Wohnung aushalten. Aber bis dahin kannst du hierbleiben. Und wenn es dich nicht stört, sollst du gern mein Gast sein.«
     
    Ich möchte eine Bemerkung über das Roggenbrot einfügen: Es festigte eindeutig die Freundschaft. Es verströmte eine feine säuerliche odeur , hatte einen breiten, die Zungenränder stimulierenden Geschmack und

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