Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1
Elternpaares dadurch gewonnen, indem ich die Kinder beobachtete. Der Junge hier neigt zur Grausamkeit, nur weil er grausam sein will, und ob er in dem Punkt nach seinem lächelnden Vater geraten ist, wie ich vermute, oder nach seiner Mutter, es bedeutet gleich viel Elend für das arme Mädchen, das sich in der Gewalt der Leute befindet.«
»Ich bin sicher, es verhält sich, wie Sie sagen«, rief unsere Klientin. »Jetzt fallen mir tausend Dinge ein, die darauf hindeuten, daß Sie den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Oh, wir dürfen keine Sekunde verlieren! Wir müssen dem armen Geschöpf helfen!«
»Wir müssen uns umsichtig verhalten, denn wir haben es mit einem sehr schlauen Mann zu tun. Vor sieben Uhr können wir nichts ausrichten. Um die Zeit sind wir bei Ihnen, und dann wird es nicht mehr lange dauern, bis das Rätsel gelöst ist.«
Wir hielten Wort und fanden uns Punkt sieben Uhr am Haus ›Zu den Blutbuchen‹ ein. Unseren Trap hatten wir bei einer Gaststätte am Weg stehenlassen. Die Gruppe der Bäume mit ihren dunklen Blättern, die in der untergehenden Sonne wie poliertes Metall glänzten, wäre zum Erkennen des Hauses ausreichend gewesen, selbst wenn Miss Hunter nicht lächelnd vor der Tür gestanden hätte.
»Ist es Ihnen gelungen?«
Von irgendwo unten drang lautes Klopfen zu uns.
»Das ist Mrs. Toller im Keller«, sagte sie. »Ihr Mann liegt in der Küche schnarchend auf einer Pferdedecke. Hier sind die Schlüssel, Duplikate von denen an Mr. Rucastles Bund.«
»Das haben Sie wirklich gut gemacht!« rief Holmes begeistert. »Zeigen Sie uns den Weg, dann werden wir bald den Schluß der dunklen Geschichte erleben.«
Wir stiegen die Treppe hinauf, öffneten die Tür, durchschritten den Korridor und standen vor der Barrikade, die Miss Hunter uns beschrieben hatte. Holmes kappte das Seil und schob die Stangen beiseite. Dann probierte er es mit den verschiedenen Schlüsseln, aber ohne Erfolg. Von innen gab es keinen Laut, und Holmes’ Stirn umwölkte sich wegen der Stille.
»Ich hoffe, wir kommen nicht zu spät«, sagte er. »Ich denke, Miss Hunter, es wäre besser, wenn nur Watson und ich hineingingen. Nun, Watson, stemmen Sie die Schulter dagegen. Es wäre doch gelacht, wenn wir uns nicht Zutritt verschaffen könnten.«
Die Tür war alt und morsch. Sie gab unter unseren vereinten Anstrengungen sofort nach. Zusammen stürzten wir in das Zimmer. Es war leer bis auf ein Feldbett, einen kleinen Tisch und einen Korb voller Wäsche. Das Deckenfenster stand offen. Die Gefangene war weg.
»Hier hat eine Schurkerei stattgefunden«, sagte Holmes. »Der Bursche hat Miss Hunters Vorhaben geahnt und sein Opfer fortgeschleppt.«
»Aber wie?«
»Durch das Deckenfenster. Wir werden bald wissen, wie er es angestellt hat.«
Er schwang sich durch das Fenster aufs Dach. »Ha! ich habe es!« rief er. »Hier am Efeu lehnt eine lange Leiter. So hat er es gemacht.«
»Aber das ist unmöglich!« rief Miss Hunter. »Die Leiter stand noch nicht da, als die Rucastles fortgingen.«
»Er ist dafür zurückgekommen. Ich sage Ihnen doch, wir haben es mit einem schlauen und gefährlichen Mann zu tun. Es sollte mich nicht wundern, wenn er das ist, dessen Schritt ich von der Treppe höre. Ich denke, Watson, es wäre gut, Sie hielten Ihre Pistole bereit.«
Die Worte waren kaum aus seinem Mund, als ein Mann in der Zimmertür erschien, ein sehr fetter, plumper Mann mit einem schweren Stock in der Hand. Miss Hunter schrie auf und wich vor seinem Anblick rückwärts zur Wand, aber Sherlock Holmes sprang vor und stellte ihn.
»Sie Schurke«, sagte er, »wo ist Ihre Tochter?«
Der fette Mann ließ den Blick durchs Zimmer schweifen, und sah dann hoch zu dem offenen Deckenfenster.
»Das frage ich Euch«, kreischte er, »Ihr Diebe! Spione und Diebe! Habe ich Euch erwischt! Ihr seid in meiner Gewalt! Euch werde ich’s zeigen!« Er drehte sich um und polterte, so schnell er konnte, die Treppe hinunter.
»Er holt den Hund!« rief Miss Hunter.
»Ich habe eine Pistole«, sagte ich.
»Wir schließen besser die Haustür«, rief Holmes, und wir stürzten die Treppe hinunter. Kaum waren wir in der Halle, als wir das Gebell eines Hundes und gleich darauf einen Todesschrei und einen schrecklich würgenden Laut vernahmen, der scheußlich anzuhören war. Ein älterer Mann mit rotem Gesicht und schlotternden Gliedern taumelte aus einer
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