Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1

Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
worden, aber eine sehr grobe Irreführung liegt vor«, sagte Holmes. »Sie wären besser gefahren, wenn Sie Ihrer Frau vertraut hätten.«
      »Es ging nicht um die Frau, sondern um die Kinder«, stöhnte der Gefangene. »Gott helfe mir! Ich wollte nicht, daß sie sich für ihren Vater schämen müssen. Mein Gott, welche Enthüllung! Was soll ich bloß machen?«
      Sherlock Holmes setzte sich neben ihm auf die Pritsche und klopfte ihm freundlich auf die Schulter.
      »Wenn Sie es dem Gericht überlassen, die Sache aufzuklären«, sagte er, »dann wird Aufsehen natürlich kaum zu vermeiden sein. Wenn Sie andererseits die Polizei davon überzeugen, daß es eine Klage gegen Sie nicht geben kann, dann wüßte ich keinen Grund, weshalb die Einzelheiten den Weg in die Zeitungen nehmen müßten. Inspektor Bradstreet wird, dessen bin ich sicher, ein Protokoll anfertigen über alles, was Sie uns berichten, und es der zuständigen Behörde unterbreiten. Der Fall würde dann nie vor Gericht kommen.«
      »Gott segne Sie«, rief der Gefangene leidenschaftlich. »Ich würde lieber Gefängnis ertragen, ja sogar eine Hinrichtung, als daß mein elendes Geheimnis Schande über meine Kinder bringt.
      Sie sind die ersten, die meine Geschichte hören. Mein Vater war Schulmeister in Chesterfield, wo ich eine hervorragende Erziehung erhielt. In meiner Jugend reiste ich, ging zum Theater und wurde schließlich Reporter bei einer Abendzeitung in London. Eines Tages wollte der Herausgeber eine Serie von Artikeln über Bettelei in der Hauptstadt haben, und ich erbot mich, sie zu liefern. An diesem Punkt begannen alle meine Abenteuer. Nur indem ich den Versuch machte, selber zu betteln, konnte ich für meinen Artikel die nötigen Tatsachen erhalten. Als Schauspieler hatte ich natürlich alle Geheimnisse des Schminkens gelernt. In der Garderobe war ich berühmt für mein Geschick. Jetzt machte ich mir diese Kenntnisse zunutze. Ich färbte mein Gesicht, und damit ich möglichst erbarmungswürdig wirkte, schminkte ich mir eine deftige Narbe und klebte eine Seite der Oberlippe mit Hilfe eines kleinen fleischfarbenen Pflasters hoch. Unter einer roten Perücke und in entsprechenden Kleidern bezog ich dann Posten im belebtesten Teil der City, vorgeblich als Verkäufer von Streichhölzern, in Wirklichkeit aber bettelte ich. Sieben Stunden lang ging ich dieser Beschäftigung nach, und als ich abends nach Hause kam, stellte ich zu meiner Überraschung fest, daß ich nicht weniger als sechsundzwanzig Shilling und vier Pence eingenommen hatte.
      Ich schrieb meine Artikel und dachte nur wenig an die Angelegenheit, bis ich einige Zeit später für eine Rechnung eines Freundes bürgte und mir damit ein Reskript über fünfundzwanzig Pfund einhandelte. Ich wußte mir keinen Rat, woher ich das Geld nehmen sollte, doch dann kam mir plötzlich die Idee. Ich ersuchte den Gläubiger um zwei Wochen Aufschub, bat den Herausgeber um Urlaub und verbrachte die Zeit in meiner Verkleidung bettelnd in der City. Innerhalb von zehn Tagen hatte ich das Geld beisammen und die Schuld bezahlt.
      Nun, Sie können sich vorstellen, wie schwer es mir fiel, mich wieder in die harte Arbeit für zwei Pfund die Woche zu schicken, da ich doch wußte, daß ich an einem Tag soviel verdienen konnte, indem ich mir das Gesicht mit ein bißchen Farbe beschmierte, meine Mütze auf die Erde legte und regungslos dasaß. Es war ein langer Kampf zwischen meinem Stolz und diesem Gedanken, aber der Dollar siegte schließlich: Ich gab den Journalismus auf und saß Tag um Tag in dem Winkel, den ich mir beim erstenmal ausgewählt hatte, erregte Mitleid durch mein scheußliches Gesicht und füllte mir die Taschen mit Kupfer. Nur ein Mann kannte mein Geheimnis. Es war der Wirt einer miesen Kneipe in der Swandam Lane, wo ich abzusteigen pflegte, jeden Morgen als schmutziger Bettler hervorging und mich am Abend in einen gut angezogenen Geschäftsmann zurückverwandelte. Dieser Bursche, ein Laskar, wurde von mir für das Zimmer reichlich bezahlt, so daß ich seiner sicher sein konnte.
      Sehr bald stellte ich fest, daß ich beachtliche Summen sparen konnte. Ich will nicht sagen, daß jeder Bettler in den Straßen Londons im Jahr sie benhundert Pfund verdienen kann – was weniger ist als meine durchschnittliche Einnahme; aber ich hatte ja außergewöhnliche Vorteile durch meine Schminkkunst und auch durch meine Schlagfertigkeit, die in der Praxis wuchs und mich zu einem Original in der

Weitere Kostenlose Bücher