Die Abenteuer des Sherlock Holmes
nicht, auch nur den kleinsten Hinweis auf ihren Aufenthaltsort zu entdecken.
Die Feuerwehrleute waren von den seltsamen Vorrichtungen, die sie im Haus fanden, sehr verwirrt, und noch mehr, als sie einen frisch abgetrennten menschlichen Daumen auf einer Fensterbank im zweiten Stockwerk entdeckten. Gegen Sonnenuntergang waren ihre Bemühungen jedoch endlich erfolgreich, und sie löschten die Flammen, aber nicht, ehe das Dach eingestürzt und das ganze Gebäude so sehr verwüstet war, daß außer einigen verbogenen Zylindern und eisernen Leitungen von der Maschinerie, die unseren unglücklichen Bekannten so viel gekostet hatte, keine Spur mehr übrig blieb. In einem Nebengebäude wurden große Mengen Nickel und Zinn entdeckt, es fanden sich jedoch keine Münzen, was vielleicht eine Erklärung für jene großen Kisten ist, die bereits erwähnt wurden.
Wie unser Hydraulik-Ingenieur vom Garten zur der Stelle gebracht wurde, an der er wieder zu Bewußtsein kam, hätte ewig ein Geheimnis bleiben können, wenn da nicht die weiche Gartenerde gewesen wäre, die uns eine sehr deutliche Geschichte erzählte. Offensichtlich hatten zwei Personen ihn getragen, von denen die eine besonders kleine, die andere ungewöhnlich große Füße besaß. Im ganzen war es sehr wahrscheinlich, daß der schweigsame Engländer, der vielleicht weniger mutig oder weniger mörderisch war als sein Gefährte, der Frau geholfen hatte, den bewußtlosen Mann außer Gefahr zu schleppen.
»Nun ja«, sagte unser Ingenieur kläglich, als wir unsere Plätze einnahmen, um nach London zurückzukehren, »das war ein schönes Geschäft für mich! Ich habe meinen Daumen verloren und außerdem ein Honorar von fünfzig Guineen, und was habe ich gewonnen?«
»Erfahrung«, sagte Holmes lachend. »Das könnte indirekt sehr wertvoll sein, wissen Sie; Sie brauchen das Erlebnis nur in Worte zu fassen, um bis an Ihr Lebensende den Ruf zu genießen, daß Sie ein ausgezeichneter Gesellschafter sind.«
Der adlige Junggeselle
Die Vermählung von Lord St. Simon und ihr merkwürdiges Ende sind schon seit langem kein Objekt des Interesses jener erlauchten Zirkel mehr, in denen der unglückliche Bräutigam sich bewegt. Neue Skandale haben sich davorgeschoben, und deren pikantere Einzelheiten haben die Klatschmäuler von diesem vier Jahre alten Drama abgelenkt. Ich habe jedoch Grund zu der Annahme, daß die Gesamtheit der Tatsachen niemals dem allgemeinen Publikum enthüllt wurde, und da mein Freund Sherlock Holmes beträchtlichen Teil an der Aufklärung der Angelegenheit hatte, glaube ich, daß kein ihn betreffendes
mémoire
ohne eine kleine Skizze dieser bemerkenswerten Episode vollständig wäre.
Einige Wochen vor meiner eigenen Heirat, in jenen Tagen, als ich noch mit Holmes Räumlichkeiten in der Baker Street teilte, kam er von einem nachmittäglichen Spaziergang heim und fand auf dem Tisch einen Brief vor. Ich war den ganzen Tag im Hause geblieben, denn das Wetter war jäh in Regen umgeschlagen, und die Jezail 37 -Kugel, die ich in einem meiner Glieder als Erinnerung an meine afghanische Campagne heimgebracht hatte, pochte mit dumpfer Beharrlichkeit. Meinen Leib in einem Lehnstuhl und meine Beine auf einem anderen hatte ich mich mit einem Gewölk von Zeitungen umgeben, bis ich sie schließlich, gesättigt von den Nachrichten des Tages, sämtlich beiseite warf, matt dort lag, das riesige Wappen und Monogramm des Couverts auf dem Tisch betrachtete und mich träge fragte, wer denn wohl meines Freundes nobler Korrespondent sein möchte.
»Da liegt eine sehr feine Epistel«, bemerkte ich, als er eintrat. »Ihre Briefe heute früh stammten, wenn ich mich recht erinnere, von einem Fischhändler und einem Flußzöllner.«
»Ja, meine Korrespondenz verfügt zweifellos über den Reiz der Unterschiedlichkeit«, antwortete er lächelnd, »und die schlichteren sind in der Regel die interessanteren. Dies da sieht aus wie eine jener unerwünschten gesellschaftlichen Einladungen, die einen entweder zur Langeweile oder zur Lüge verpflichten.«
Er erbrach das Siegel und überflog den Inhalt. »Oh, na, es könnte am Ende doch noch interessant werden.«
»Also nichts Gesellschaftliches?«
»Nein, entschieden etwas Berufliches.«
»Und von einem noblen Klienten?«
»Einem der höchststehenden in England.«
»Ich gratuliere Ihnen, mein Lieber.«
»Ohne mich spreizen zu wollen, Watson, kann ich Ihnen versichern, daß der Status meines Klienten mir sehr viel weniger bedeutet als die
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