Die Abenteuer des starken Wanja
sechsten Anlauf, erreichte Wanja mit
einem letzten, verzweifelten Satz die Föhre. Mit beiden Händen umklammerte er
den Stamm — und der Sturm brach ab. Jählings, wie mit dem Messer abgeschnitten.
Aufatmend
strich sich der starke Wanja das Haar aus der Stirn. Er blickte in das Geäst
hinauf. Der böse Och war mit seiner Kraft am Ende. Röchelnd und stöhnend rang
er nach Luft. Er verdrehte die Augen jämmerlich, sein breites Froschmaul
klappte auf und zu, auf und zu.
»Na,
Onkelchen ?« fragte Wanja. »Ist dir die Puste
ausgegangen ?«
»Worauf
hab’ ich mich da bloß eingelassen !« dachte er.
Aber
im gleichen Augenblick mußte er an die Leute in dem zerstörten Dorf denken, an
Arkaschka, Gawrilo und alle anderen. Da wußte er, daß er den Kampf mit dem
bösen Och nicht aufgeben durfte — koste es, was es wolle.
»Ich
hätte mir alle Taschen mit Hufeisen vollstopfen müssen, um schwerer zu sein.
Oder mit Bleistücken!«
Jetzt
war es dafür zu spät. Wanja holte noch einmal tief Atem. Dann sprang er vom
Boden auf und begann zu rennen — mitten hinein in den Sturm!
Er
packte den Stamm der Föhre und schüttelte ihn.
»Aufhören !« kreischte der böse Och. »Aufhören!«
Wanja
rüttelte an dem Stamm, bis der Och aus dem Föhrenwipfel herabfiel. Er klatschte
ihm vor die Füße wie ein Sack Quark.
Da
lag er nun, der gefürchtete Unhold: zitternd vor Angst, ein schlaffes,
wabbelndes grünes Bündel, die Augen weit aufgerissen, Arme und Beine hilflos
von sich gestreckt.
Wanja
löste sich von dem Stamm der Föhre und setzte dem Och den Fuß auf den Kopf.
»Gibst du dich nun geschlagen ?« fragte er ihn; und
winselnd fragte der böse Och zurück:
»Was
verlangst du von mir ?«
»Den
Bauern ihren Frieden«, sagte der starke Wanja, »und mir die Lanze aus
Eisenholz. Das verlange ich .«
»Den
Frieden sollen sie haben«, keuchte der Och. »Aber was willst du mit meiner
Lanze? Ich schenke dir einen Bauernhof, wenn du willst — einen großen,
stattlichen Hof mit Feldern und Wiesen und dreißig Rindern im Stall, alles
fette Milchkühe !«
Wanja
versetzte ihm einen Fußtritt.
»Ich
sagte: die Lanze aus Eisenholz !«
Der
Och widersprach ihm abermals.
»Ich
kann dir ein ganzes Dorf zum Geschenk machen«, japste er. »Du wirst Herr über
zwanzig Höfe sein. Deine Bauern werden mit ihren Leuten für dich die Arbeit
tun, und du wirst in Saus und Braus leben. Was willst du mehr ?«
»Du
weißt ganz genau, was ich will«, sagte Wanja. »Vergiß nicht, daß du in meiner
Gewalt bist, du grüner aufgeblasener Popanz !«
Er
drückte dem bösen Och den Fuß so fest auf den Kopf, daß dem Ungetüm angst und
bange wurde.
»Gnade !« ächzte es. »Gnade! Du sollst deinen Willen haben .«
»Das
läßt sich schon eher hören !« Wanja lockerte seinen
Tritt ein wenig. »Sag mir nun, wo ich die Lanze finde !«
»Wenn
ich es dir gesagt habe, bin ich frei ?«
Wanja
nickte.
»Mein
Wort darauf.«
»Gut,
nimm den Fuß weg !«
»Erst
wenn ich weiß, was ich von dir wissen will!«
Der
Och kniff die Augen zusammen und flüsterte:
»Die
Lanze aus Eisenholz ist in den Stamm meiner Föhre eingewachsen. Wenn du sie haben
willst, hol sie dir — aber ich fürchte, du wirst kein Glück haben .«
»Das
ist meine Sache !« erwiderte Wanja barsch.
Er
schwang sich in das Geäst der Föhre. Dort, wo der Baum sich gabelte, stemmte er
beide Füße gegen den einen Stamm und den Rücken gegen den anderen. Nun begann
er die Stämme mit aller Kraft auseinanderzudrücken. Der böse Och rief ihm zu:
»Laß
es bleiben, du schaffst es doch nicht! Schade um jeden Schweißtropfen !«
Wanja
achtete nicht darauf. Er drückte die beiden Stämme mit solcher Gewalt
auseinander, daß ihm die Föhre nicht lange standhielt. Krachend und knirschend
riß sie der Länge nach auf. In dem Spalt, der sich klaffend öffnete, stak die
Lanze von Eisenholz: eine schlanke Waffe, der Schaft und die Spitze aus einem
Stück, holzfarben, mit dem Glanz von Eisen.
Wanja
zog sie mit einem Ruck aus dem Föhrenstamm. Im nächsten Augenblick tat es
hinter ihm einen lauten Knall. Als er sich umblickte, lag auf dem Waldboden
eine leere, zerschlissene grüne Haut, aus der leise zischend die letzte Luft
entwich.
Der
böse Och war vor Wut geplatzt.
P rüfend wog Wanja die Lanze aus
Eisenholz in der Hand. Schwer war sie, aber nicht unhandlich. Seit er sie in
der Faust hielt, wußte er, daß sie für ihn geschaffen war.
»Hej,
Wanja!«
Arkaschka
kam über die
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