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Die Abenteuer des starken Wanja

Die Abenteuer des starken Wanja

Titel: Die Abenteuer des starken Wanja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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achten mußt! Wenn du den Och überwunden hast, laß dir von ihm die Lanze
geben — die Lanze aus Eisenholz. Du mußt wissen, daß es damit eine sonderbare
Bewandtnis hat. Die Schwerter der Feinde zerschellen an ihrem Schaft wie
Eiszapfen !«
    »Ist
das wahr ?« fragte Wanja.
    »So
wahr, wie wir hier am Feuer sitzen und Bier trinken«, sagte der Schmied. »Und
so wahr, wie der Och uns vergangene Nacht das Dorf zerstört hat.«
     
    G awrilo,
der Schmied, und die anderen Dorfbewohner geleiteten Wanja am Morgen hinaus zum
Waldrand. Sie hatten ihm reichlich zu essen eingepackt und sparten auch nicht
mit Dankesworten und guten Wünschen.
    »Du
sollst wissen«, sagten sie, »daß du im Kampf mit dem bösen Och nicht allein
bist. Wir alle werden dir in Gedanken beistehen !« Nun
gab es ein großes Umarmen und Schulterklopfen. Als aber Wanja die Männer
fragte, ob ihn nicht einer von ihnen begleiten wolle, um wenigstens aus der
Ferne den Kampf zu beobachten, fand sich keiner dazu bereit, selbst Gawrilo
nicht. Alle vermieden es, Wanja anzublicken, und machten Ausflüchte.
    »Auch
gut«, sagte der starke Wanja. »Dann gehe ich eben allein, lebt wohl miteinander !«
    Er
wanderte in den Wald hinein, immer den schmalen Pfad entlang, ohne Furcht und
Sorgen. Das Backofenlied ging ihm wieder einmal durch den Kopf, er summte es
vor sich hin:
    »Sieben
Jahr
    Lag
der faule Wanja
    Wohl
auf dem Backofen,
    Hej!«
    Nach
einer Weile hörte er leichte Schritte hinter sich. Er blickte sich um und sah,
daß Arkaschka ihm folgte: barfuß wie immer, in seinem geflickten, ein wenig zu
weiten Leinenkittel.
    »Heda !« rief Wanja. »Was willst du hier ?«
    »Zusehen,
wie du den bösen Och besiegst.«
    »Du ?« staunte Wanja.
    »Ja,
warum nicht? So was sieht man nicht alle Tage — oder ?«
    Wanja
lachte und mußte dem Jungen recht geben. Ob er denn keine Angst habe?
    »Angst?«
Arkaschka zwinkerte mit den Augen. »Ich gehe schon nicht zu nahe ‘ran...«
    Nun
setzten sie ihren Weg gemeinsam fort, Seite an Seite. Wanja erzählte dem Jungen
von den sieben Jahren auf dem Backofen, und Arkaschka fand das sehr lustig. Die
Zeit verging ihnen wie im Flug. Gegen Mittag kamen sie an den Rand einer großen
Waldblöße, auf der viele entwurzelte Bäume umherlagen, kreuz und quer, mit
geborstener Rinde und abgesplitterten Wipfeln. Dazwischen wucherten Farnkraut
und Brombeergestrüpp. Mitten auf der Lichtung stand, einsam und weithin
sichtbar, eine uralte Föhre mit knorrigen Ästen und mächtigem Stamm, der sich
in einiger Höhe über dem Boden gabelte — der Schlafbaum des bösen Och.
    Das
Ungeheuer hing in der Krone der Föhre: ein rundes, aufgeblasenes grasgrünes
Scheusal, eine Art Mittelding zwischen Molch und Fisch, groß wie ein
ausgewachsener Ochse, mit Ohren wie Fledermausflügel und lächerlich dünnen
Armen und Beinen, mit denen es sich in den Ästen des Baumes festkrallte.
    »Ist
er das ?« fragte Arkaschka leise.
    »Er
muß es wohl sein«, sagte Wanja.
    Der
Junge duckte sich hinter den Wurzelschild einer ausgerissenen Fichte.
    »Hier
bin ich gut aufgehoben«, meinte er.
    Der
böse Och hatte einen leichten Schlaf. Er hatte die beiden längst kommen hören.
Nun schlug er die Augen auf: riesige, rotgeäderte Glotzaugen.
    Wanja
erschrak vor dem Blick des Ungeheuers. Er sah, wie der Och sich aufblähte, wie
er anschwoll, daß ihm die Augen hervorquollen und die Lippen sich spannten. Das
Grün seiner Haut wurde dunkel und immer dunkler, bis er zuletzt fast blau war.
    Wanja
trat auf die Lichtung hinaus.
    Im
gleichen Augenblick brach der Sturm los. Mit Heulen und Tosen. Der
schrecklichste Sturm, den er je erlebt hatte. Der böse Och blies aus vollen
Backen. Sein Atem riß Wanja die Mütze vom Kopf und die Knöpfe vom Rock. Es
fehlte nicht viel, und er hätte ihn fortgewirbelt.
    Mit
aller Gewalt stemmte Wanja sich gegen den Sturm. Mühsam setzte er Schritt vor
Schritt. Bis an die Knöchel versank er im Waldboden. Der Sturm schlug ihm
Rindenstücke und dürres Geäst um die Ohren, Brombeerranken peitschten ihm das
Gesicht.
    Wanja
mußte die Augen schließen, er strauchelte über eine Baumwurzel, schlug der
Länge nach hin. Mit Händen und Füßen krallte er sich im Erdreich fest, keuchend
holte er Atem.

     
    N och fünfmal mußte sich Wanja zu
Boden werfen, und fünfmal nahm er den Kampf von neuem auf. Jetzt zeigte es
sich, was die sieben Backofenjahre aus ihm gemacht hatten. Jeder andere hätte längst
vor Erschöpfung aufgegeben. Endlich, beim

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