Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
Amazonasgebiet zu Fuß durchkämmen müsse.
    »Das hast du echt gesagt, Kate?« Alex kicherte.
    »Nicht wegen dir, Alexander. Es ging ums Prinzip«, knurrte sie.
    ~
    Für die Nacht richteten sich Nadia, Kate und Omayra Torres in dem einen Zelt ein, Ludovic Leblanc und Timothy Bruce in dem anderen, und Mauro Carías schlief in seinem Privatzelt; alle Übrigen spannten ihre Hängematten zwischen die Bäume. An den vier Seiten des Lagers wurden Wachen postiert, und die Soldaten ließen die Petroleumlampen brennen. Stillschweigend nahmen sie an, das Licht werde die Bestie fern halten. Sie selbst wurden dadurch zwar zu einem leichten Ziel für die Indianer, aber bisher hatte noch nie ein Stamm in der Dunkelheit angegriffen, denn die Indianer fürchteten die Dämonen der Nacht, die aus den Albträumen der Menschen entweichen.
    Nadia, die einen leichten Schlaf hatte, wachte nach Mitternacht von Kate Colds Geschnarche auf. Nachdem sie sicher war, dass auch die Ärztin nichts mitbekam, hieß sie Borobá dableiben und schlüpfte leise aus dem Zelt. Sie hatte die Nebelmenschen aufmerksam beobachtet, hatte unbedingt lernen wollen, wie man unbemerkt an anderen vorbeispazieren kann, und hatte so entdeckt, dass das nicht nur eine Frage der Tarnung war, sondern den strikten Willen erforderte, alles Greifbare abzuschütteln und zu verschwinden. Man musste sich konzentrieren, sich in einen geistigenZustand der Unsichtbarkeit versetzen, durch den man einen Meter entfernt von jemandem stehen konnte, ohne gesehen zu werden. Jetzt wusste sie, dass es gleich so weit sein würde, denn ihr Körper fühlte sich schon sehr leicht an, schien sich zu verflüchtigen, und hatte sich schließlich völlig aufgelöst. Wenn sie nicht entdeckt werden wollte, musste sie ganz bei der Sache sein, durfte sich nicht durch ihre Nervosität verraten. Die Wachen liefen rund um das Lager Streife und kamen dabei dicht an Nadias Zelt vorbei, aber sie schlich furchtlos an ihnen vorüber, geschützt durch dieses geistige Kraftfeld, das sie um sich geschaffen hatte.
    Kaum hatte sie den schwach vom Mond beschienenen Wald erreicht und fühlte sich sicher, ahmte sie zweimal den Ruf der Eule nach und wartete. Kurze Zeit später spürte sie die stumme Gegenwart Walimais neben sich. Sie bat den Zauberer, die Nebelmenschen davon zu überzeugen, dass sie ins Lager kommen und sich impfen lassen sollten. Sie konnten sich doch nicht für immer im Schatten der Bäume verbergen, sagte sie, und wenn sie ein neues Dorf errichten wollten, so würde auch das von den Vögeln, die Donner und Wind machen, entdeckt werden. Sie versprach ihm, dass sie selbst den Rahakanariwa in Schach halten und Jaguar mit den Nahab verhandeln werde. Sie erzählte ihm von der mächtigen Großmutter ihres Freundes, versuchte aber erst gar nicht, ihm zu erklären, wie viel man durch das Schreiben und durch die Presse ausrichten kann, denn das hätte der Schamane vermutlich doch nicht verstanden, schließlich kannte er die Schrift nicht und hatte nie eine gedruckte Seite gesehen. Also sagte sie bloß, diese alte Frau besitze große Macht in der Welt der Nahab, auch wenn ihr die im Auge der Welt zu wenig nütze sei.
    Für die Nacht hatte Alex seine Hängematte etwas abseits von den anderen aufgespannt. Er hatte gehofft, die Indianer würden im Schutz der Dunkelheit zu ihm kommen, aber er schlief sofort wie ein Stein. Er träumte von dem schwarzen Jaguar. So klar und deutlich stand ihm die Begegnung mit seinem Totemtier vor Augen, dass er am nächsten Morgen nicht wusste, ob es Traum oder Wirklichkeit gewesen war. Ihm war, als sei er aus der Hängematte aufgestanden und habe sich vorsichtig an den Wachen vorbei aus dem Lager geschlichen. Als er aus dem Lichtschein desLagerfeuers und der Petroleumlampen hinaus unter die Bäume trat, sah er die schwarze Raubkatze auf dem kräftigen Ast eines riesigen Paranussbaums, ihr Schwanz peitschte die Luft, ihre Augen leuchteten im Dunkel wie geschliffener Topas, genau wie in der Vision, die er durch Walimais Zaubertrank gehabt hatte. Der Jaguar konnte mit seinen Zähnen und Klauen einen Kaiman in Stücke reißen, seine kräftigen Läufe trugen ihn wie der Wind, er war so stark und mutig, dass er es mit jedem Gegner aufnahm. Er war ein wundervolles Tier, König der Raubtiere, Sohn des Vaters Sonne, der Prinz der indianischen Mythologie. Im Traum blieb Alex wenige Schritte vor dem Jaguar stehen, und genau wie bei ihrer Begegnung im Camp von Mauro Carías hörte er, wie das

Weitere Kostenlose Bücher