Die Abenteuer von Aguila und Jaguar
César Santos hatte noch nie so ein Ding geflogen, traute es sich aber zu, denn immerhin kam er auch mit seiner eigenen Schüttelmaschine klar.
Es war Zeit, sich von den Nebelmenschen zu verabschieden. Geschenke wurden getauscht, das war bei den Indianern so üblich. Die einen trennten sich von ihren Gürteln, von Macheten, Messern und Kochutensilien, die anderen verschenkten ihren Federschmuck, ihre Ketten aus Samenkörnern und Tierzähnen, ihre Orchideen. Alex gab Tahama seinen Kompass, den der sich als Schmuck um den Hals hängte, und der Krieger schenkte ihm einen Köcher mit in Curare getränkten Pfeilen und ein drei Meter langes Blasrohr, das sie kaum in den engen Hubschrauber bekamen. Iyomi packte Kate Cold wieder am Kragen und schrie ihr in voller Lautstärke ins Gesicht, und Kate ließ sich nicht lumpen und beschenkte sie mit einer flammenden Brüllrede auf Englisch. Im letzten Moment, als die Nahab schon in den Vogel kletterten, der Donner und Wind macht, drückte Walimai Nadia einen kleinen Korb in die Hand.
ZWANZIGSTES KAPITEL
Die Wege trennen sich
Der Flug nach Santa María de la Lluvia war ein Horrortrip, weil César Santos eine geschlagene Stunde brauchte, bis er die Schalthebel und Knöpfe einigermaßen durchschaut hatte und die Maschine halbwegs gerade halten konnte. In dieser Stunde rechnete keiner damit, lebend anzukommen, und selbst Kate Cold, die doch kaltblütig war wie ein Tiefseefisch, drückte ihrem Enkel zum Abschied fest die Hand.
»Tschau, Jaguar. Ich fürchte, das war’s. Schade um dich, so jung und schon tot«, sagte sie.
Die Soldaten beteten mit lauter Stimme und setzten alles daran, sich mit Schnaps zu betäuben, während Timothy Bruce seiner tiefen Verstimmung durch Heben der linken Augenbraue Ausdruck verlieh, ein Zeichen dafür, dass er kurz vor dem Platzen war. Wirklich unerschütterlich waren nur Nadia, die ihre Angst vor der Höhe verloren hatte und fest darauf vertraute, dass ihr Vater das alles deichseln würde, und Professor Ludovic Leblanc, dem so schlecht war, dass er von der Gefahr, in der er schwebte, gar nichts mitbekam.
Stunden später, nach einer Landung, die ähnlich wacklig war wie der Start, konnten sich die Expeditionsteilnehmer endlich wieder in dem armseligen Hotel von Santa María de la Lluvia einrichten. Am nächsten Tag würden sie nach Manaus aufbrechen, von wo aus jeder in seine Heimat zurückfliegen würde. Auch diesmal würden sie mit dem Schiff über den Río Negro reisen, denn die Maschine von César Santos weigerte sich, vom Boden abzuheben, obwohl Pater Valdomero so nett gewesen war, den neuen Motor einzubauen. Timothy Bruce war froh, seinen Freund Joel González wiederzusehen, der sich so weit erholt hatte, dass er mit ihnen würde zurückfahren können. Die Nonnen hatten ihm ein Gipskorsett gebastelt, mit dem er sich vom Hals bis zur Hüfte nicht bewegen konnte, und sie meinten, die Rippen würden ohne Komplikationen verheilen, allerdings sei zu befürchten, dass der armeKerl nie mehr eine Nacht würde durchschlafen können. Immer schreckte er hoch, weil ihm im Traum eine Anakonda um den Hals fiel.
Die Nonnen versicherten auch, die drei verletzten Soldaten würden wieder gesund werden, denn die Pfeile seien zum Glück nicht vergiftet gewesen, Mauro Carías dagegen lag im Sterben. Tahamas Knüppelhieb hatte sein Gehirn verletzt, und falls er überhaupt durchkam, würde er sein Leben im Rollstuhl fristen, mit umwölktem Bewusstsein und künstlich ernährt. Man hatte ihn mittlerweile in seinem eigenen Flugzeug nach Caracas gebracht, zusammen mit Omayra Torres, die ihm nicht eine Sekunde von der Seite wich. Die Ärztin wusste noch nicht, dass Ariosto ums Leben gekommen war und sie nicht mehr beschützen konnte; auch dachte sie wohl nicht daran, dass ihr der Prozess gemacht würde, sobald die Ausländer über die Sache mit dem angeblichen Impfstoff berichteten. Sie war vollkommen mit den Nerven fertig gewesen, hatte unablässig etwas gestammelt von wegen, alles sei ihre Schuld, Gott habe sie und Mauro für die Sache mit dem Masernvirus gestraft. Keiner hatte dieses eigenartige Geständnis begriffen, aber Pater Valdomero, der den Sterbenden aufgesucht hatte, um ihm geistlichen Beistand zu spenden, hatte aufgehorcht und sich notiert, was sie sagte. Wie Karakawe hegte auch der Priester seit langem den Verdacht, dass Mauro Carías etwas vorhatte, um im Indianergebiet Geld zu machen, hatte aber bisher nicht herausfinden können, was er plante. Durch
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