Die Abenteuer von Aguila und Jaguar
deiner Großmutter, wenn ihr wieder in New York seid. Sie weiß bestimmt, was sie damit anfängt. Jedenfalls scheint sie viel Einfluss zu haben und kann den Indianern helfen.«
»Die Dinger sehen aus, als wären sie aus Glas. Woher willst du wissen, dass es Diamanten sind?«
»Ich habe sie meinem Papa gezeigt, der hat es auf den ersten Blick gesehen. Aber sonst darf es keiner wissen, ehe sie nicht aneinem sicheren Ort sind, sonst klaut sie noch einer. Versprochen, Jaguar?«
»Versprochen. Weiß Professor Leblanc davon?«
»Nein, nur du, mein Papa und ich. Der Professor würde es doch gleich jedem auf die Nase binden.«
»Dein Vater ist ganz schön anständig, jeder andere hätte die Steine behalten.«
»Du auch?«
»Nein!«
»Na bitte. Mein Vater wollte sie nicht einmal anfassen, er hat gesagt, sie würden Unglück bringen, weil die Leute gierig werden nach so viel Reichtum und sich dafür gegenseitig abmurksen.«
»Und wie soll ich die durch den Zoll kriegen?«
»In der Jackentasche. Falls sie jemand sieht, denkt er wahrscheinlich, es ist irgendein Nippeszeug, das sie in Manaus den Touristen andrehen. Das glaubt doch kein Mensch, dass es so riesige Diamanten gibt und noch dazu bei einem Halbstarken mit Mönchsfrisur.« Nadia lachte und strich ihm über die kahle Stelle am Kopf.
Wieder schwiegen sie, starrten auf das Wasser unter ihren Füßen und auf den dunklen Wald und waren traurig, weil sie sich in ein paar Stunden voneinander verabschieden mussten. Bestimmt würden sie nie wieder etwas so Außergewöhnliches erleben wie dieses gemeinsame Abenteuer. Was würde sich je messen können mit den wilden Göttern, der Stadt aus Gold, mit der Reise, die Alex in den Bauch der Erde unternommen hatte und Nadia hinauf zum Nest mit den verzauberten Eiern?
»Meine Großmutter soll demnächst noch eine Reportage für den International Geographic schreiben. Sie fährt ins Reich des goldenen Drachen«, sagte Alex.
»Hört sich so gut an wie das Auge der Welt. Wo ist das?«
»Irgendwo im Himalaja. Ich würde ja gern mitfahren, aber …«
Daraus würde wohl nichts werden. Er musste in sein normales Leben zurück. Er war einige Wochen weg gewesen; wenn er nicht bald wieder in die Schule kam, würde er das Jahr noch einmal machen müssen. Außerdem wollte er seine Eltern und seine Schwestern sehen, und er freute sich auf Poncho. Vor allem abermusste er seiner Mutter das Wasser des Lebens und Walimais Heilkraut bringen; zusammen mit der Chemotherapie würde sie das bestimmt wieder gesund machen. Aber Nadia zu verlassen tat entsetzlich weh, er wünschte sich, dass es nie Tag werde, dass er immer hier neben seiner Freundin sitzen bleiben und die Sterne betrachten könnte. Kein Mensch auf der Welt kannte ihn so gut wie sie, niemand war ihm so nah wie das Mädchen mit der honigfarbenen Haut, dem er wider alle Wahrscheinlichkeit am Ende der Welt begegnet war. Was würde aus ihr werden? Sie würde hier, mitten im Urwald groß werden, aufgeweckt und wild, weit weg von ihm.
»Sehen wir uns irgendwann noch mal?«, fragte er leise.
»Na klar!« Sie beugte sich zu Borobá hinunter und tat, als würde sie Faxen mit ihm machen, damit Alex nicht sah, dass sie weinte.
»Wir schreiben uns doch, oder?«
»Die Post hier, also schnell ist anders …«
»Ist doch egal, dann brauchen die Briefe eben lang, ich schreibe dir auf jeden Fall. Das Wichtigste an dieser Reise ist für mich, dass wir uns getroffen haben. Ich vergesse dich nie, niemals, du wirst immer meine beste Freundin sein.« Alex musste furchtbar schlucken.
»Und du mein bester Freund, außerdem können wir uns mit dem Herzen sehen«, antwortete Nadia.
»Auf bald, Aguila …«
»Auf bald, Jaguar …«
ENDE
Im Reich des Goldenen Drachen
Meiner Freundin Tabra Tunoa,
der unermüdlichen Reisenden,
die mich in den Himalaja mitnahm und
mir vom goldenen Drachen erzählte.
ERSTES KAPITEL
Das Tal der Yetis
Tensing, der buddhistische Lama, und sein Schüler, Prinz Dil Bahadur, wanderten seit Tagen hinauf in die Berge des nördlichen Himalaja, immer weiter in eisige Höhen, wo der Frost niemals nachlässt und wo außer einigen wenigen Mönchen noch nie ein Mensch gewesen ist. Keiner der beiden zählte die Stunden, denn Zeit kümmerte sie nicht. Sie ist eine Erfindung des Menschen, für das spirituelle Dasein ohne Bedeutung, hatte der Meister seinen Schüler gelehrt.
Wichtig war für sie der Weg, den der junge Prinz zum ersten Mal ging. Der Lehrer wusste, dass er selbst ihn
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