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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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einander in die Augen sehen konnten. Dil Bahadur folgte dem Beispiel des Lamas, obwohl er sich in dieser Haltung nicht gegen die weiter ihre Keulen schwingenden Yetis verteidigen konnte. Aus den Augenwinkeln schätzte er, dass es ungefähr zehn oder zwölf waren, aber es war unmöglich zu sagen, wie viele sich sonst noch in der Nähe aufhielten.
    Die Anführerin der Horde stieß in schneller Folge kehlige und spitze Laute aus, offensichtlich versuchte sie, ihrer Horde etwas zu erklären. Dil Bahadur hatte das vage Gefühl, diese Sprache schon einmal gehört zu haben, wusste aber nicht, wo. Die Töne waren ihm vertraut, auch wenn er kein Wort verstand. Mit einem Mal knieten sich alle Yetis hin und berührten wieder und wieder mit der Stirn die Erde, umklammerten allerdings weiter ihre Waffen, als wüssten sie nicht so recht, ob sie die Besucher nun feierlich begrüßen oder doch ihrem Drang nachgeben und ihnen alle Knochen einzeln brechen sollten.
    Die alte Yetifrau hielt sie mit Gebärden in Schach, während sie das Knurren wiederholte, das sich nach Grr-ympr anhörte. Das sollte wahrscheinlich ihr Name sein. Tensing hörte sehr aufmerksam zu, während Dil Bahadur sich damit abmühte, die Gedanken der anderen Yetis zu lesen, aber ihr Geist war ein einziges Gestrüpp aus unverständlichen Bildern. Er lenkte seine Aufmerksamkeit auf das, was die Alte ihnen mitzuteilen versuchte, die ihm nicht so stumpfsinnig vorkam wie die Übrigen. Etliche Bilder formten sich in seinem Kopf. Er sah kleine pelzige Tiere, wie weiße Kaninchen, die in Krämpfen zuckten und dann starr wurden. Er sah Leichen und Gerippe; er sah einige Yetis, wie sie einen der Ihren in eine kochende Dampffontäne trieben; er sah Blut, Tod, Grausamkeit und Terror.
    »Vorsicht, Meister, sie sind sehr wild«, stammelte er.
    »Möglicherweise sind sie verängstigter als wir, Dil Bahadur«, antwortete der Lama.
    Grr-ympr gab den anderen Yetis ein Zeichen, und die hörten endlich mit ihren Drohgebärden auf, während sie selbst sich zum Gehen wandte und dem Prinzen und seinem Meister durch einen Wink zu verstehen gab, dass sie ihr folgen sollten. Flankiert von der Meute, gingen die beiden hinter ihr her, an den Fontänen und siedenden Tümpeln vorbei, bis sich vor ihnen einige Löcher in dem vulkanischen Boden auftaten. Unterwegs sahen sie noch mehr Yetis, die auf der Erde hockten oder lagen und keine Anstalten machten, sich zu nähern.
    Vor langer Zeit musste sich hier ein Vulkanausbruch ereignet haben, und während die erste Lavaschicht bei ihrer Berührung mit Schnee und Eis schnell erkaltet war, hatten sich neue Gesteinsmassen darüber geschoben. So hatten sich Grotten und Tunnel gebildet, in denen die Yetis hausten. An manchen Stellen war die Lavakruste aufgerissen, und durch die Löcher konnte man nach innen sehen. Die meisten der Höhlen waren so niedrig und eng, dass Tensing nicht hineingepasst hätte, aber innen musste es angenehm warm sein, denn das Lavagestein speicherte die Hitze von dem heißen Wasser und dem Dampf, die sich unterirdisch einen Weg nach draußen bahnten. So mussten die Yetis den Winter nicht fürchten, den sie ohne diese Vulkanheizung sicher nicht überstanden hätten.
    In den Höhlen war kein Werkzeug zu sehen, bloß stinkende Felle lagen herum, und an manchen klebte noch vertrocknetes Fleisch. Erschrocken sah Dil Bahadur, dass auch Yetifelle darunter waren. Die anderen stammten von Chegnos, die von den Yetis in Koppeln aus Felsbrocken und Schnee gehalten wurden. Sein Meister hatte ihm von dieser sonderbaren Mischung aus Rind und Schaf erzählt, die es nur hier gab: Die Chegnos waren kleiner als Yaks und hatten gebogene Hörner wie Widder. Die Yetis aßen ihr Fleisch, nutzten das Fett, die Felle und auch den getrockneten Kot, der ihnen als Brennstoff diente. Die Tiere waren genügsam, brauchten wenig Futter und konnten auch die schlimmsten Schneestürme überstehen. Ohne sie hätten die Yetis hier oben verhungern müssen.
    ~
    »Wir bleiben ein paar Tage hier, Dil Bahadur. Versuch, die Sprache der Yetis zu lernen«, sagte der Lama.
    »Wozu, Meister? Wir werden sie nie wieder brauchen.«
    »Ich möglicherweise nicht, aber du vielleicht schon«, gab Tensing zur Antwort.
    Nach und nach glaubten sie, etwas von dem zu verstehen, was die alte Yetifrau ihnen mit diesen knurrend glucksenden Wörtern begreiflich machen wollte. Auch Grr-ymprs Gedanken konnten sie leichter lesen und erfuhren so von der Tragödie, die sich bei den Yetis

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