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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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den sicheren Garten. Sofort schlossen sich die Palasttore hinter ihnen, während das Handgemenge hinter der Mauer in lautstarken Tumult überging.
    »Wenn Dummheit weh täte, wärst du bloß am Brüllen, Alexander. Mit deinen paar Dollars änderst du doch nichts. Indien ist Indien, man muss es hinnehmen, wie es ist«, sagte Kate Cold, als sie ihn blutverschmiert und verdreckt ankommen sah.
    »Mit der Haltung würden wir heute noch in Höhlen hocken und uns gegenseitig die Knüppel überziehen!«, fauchte er sie an und wischte sich das Blut von der Nase.
    »Das tun wir doch auch, mein Junge, im Grunde tun wir dasdoch.« Sie hätte ihn am liebsten in den Arm genommen, so stolz war sie auf ihn.
    Auf der Hotelterrasse saß eine Frau unter einem großen weißen Sonnenschirm mit goldenen Troddeln und hatte die ganze Szene beobachtet. Sie musste Mitte vierzig sein, wirkte aber jünger, war schlank, groß gewachsen und sah sportlich aus in ihrem leichten khakifarbenen Zweiteiler aus Hose und Hemd. Zwischen ihren Füßen, die in Sandalen steckten, lag eine stark abgenutzte Lederhandtasche auf dem Boden. Ihre schwarzen glatten Haare mit einer einzigen breiten weißen Stirnlocke umrahmten ein Gesicht von klassischer Schönheit: kastanienbraune Augen, dichte geschwungene Brauen, eine gerade Nase und ein ausdrucksvoller Mund. Obwohl sie so schlicht gekleidet war, wirkte sie vornehm und elegant.
    »Du bist sehr mutig«, wandte sich die Unbekannte eine Stunde später an Alex, als sich die Gruppe des International Geographic auf der Hotelterrasse zusammenfand.
    Er spürte, dass seine Ohren glühten.
    »Aber du solltest vorsichtiger sein, du bist hier nicht zu Hause.« Die Frau sprach fehlerfreies Englisch, allerdings hatte sie einen leichten europäischen Akzent, der es einem schwer machte zu erraten, wo sie eigentlich herkam.
    Gerade brachten zwei Hoteldiener auf riesigen silbernen Tabletts für Kate und die anderen Chai, indischen Tee, der mit Milch, Gewürzen und jeder Menge Zucker getrunken wird. Kate lud die fremde Frau dazu ein. Sie hatte auch Tex Gürteltier gefragt, ob er sich anschließen wolle, denn sie war ihm sehr dankbar, dass er so schnell gehandelt und ihrem Enkel das Leben gerettet hatte, aber der Mann hatte gesagt, er trinke lieber ein Bier, und saß jetzt zeitunglesend etwas abseits. Alex wunderte sich, dass dieser komische Freak, der mit einem verschlissenen Seesack und einem Schlafsack reiste, in dem Maharadschapalast abgestiegen war, aber wahrscheinlich kostete das gar nicht so viel. Für jemanden, der Dollars besaß, war Indien spottbillig.
    Kate Cold und ihr Gast plauderten miteinander und hatten sehr bald herausgefunden, dass alle unterwegs ins Reich des Goldenen Drachen waren. Die Unbekannte stellte sich als Judit Kinski vor,sie war Gartenarchitektin und erzählte ihnen, sie reise auf offizielle Einladung des Königs, den sie zu ihrer großen Freude vor kurzem persönlich kennen lernen durfte. Sie hatte erfahren, dass der Monarch in seinem Land einen Tulpengarten anlegen wollte, und ihm daraufhin in einem Brief ihre Dienste angeboten. Sie war davon überzeugt, dass Tulpenzwiebeln auch im Klima und im Boden des Verbotenen Reichs gedeihen konnten, wenn man die Anlage sorgfältig plante. Der König hatte sie wenig später um ein persönliches Gespräch gebeten, und auf ihr Anraten hin hatten sie sich in Amsterdam getroffen, wo sie die weltberühmten holländischen Tulpen direkt vor Ort bewundern konnten.
    »Seine Majestät weiß mehr über Tulpen als die meisten Fachleute, deshalb brauchte er mich eigentlich überhaupt nicht und könnte seine Pläne auch ganz allein in die Tat umsetzen. Aber offensichtlich haben ihm einige von meinen Gartenentwürfen, die ich ihm gezeigt habe, gut gefallen, und so hat er mir freundlicherweise diesen Auftrag gegeben«, erzählte sie. »Wir haben uns lange über sein Vorhaben unterhalten, für sein Volk neue Parks und Gärten anzulegen, in denen neben den heimischen Pflanzen auch andere wachsen sollen. Er weiß, dass man sehr behutsam vorgehen muss, will man das ökologische Gleichgewicht nicht stören. Im Verbotenen Reich gibt es noch einige Pflanzen, Vögel und kleine Säuger, die sonst überall ausgestorben sind. Das Land ist eine ökologische Schatzkammer.«
    Für die Reisenden des International Geographic lag es auf der Hand, dass der König von Judit Kinski genauso angetan gewesen sein musste wie sie. Die Frau schlug einen in den Bann: Sie wirkte so selbstgewiss und

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