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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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an den Mauern sprießen lassen. In der Luft hing ein beißender Gestank, der Geruch von Tausenden und Abertausenden von Ratten, die in den Kellern lebten und nachts nach oben kamen, wie der Fremdenführer erklärte. Die Touristen hielten sich Mund und Nase zu, und einige stürzten ins Freie.
    Plötzlich zupfte Nadia Alex am T-Shirt und deutete in eine Ecke des Saales, wo Tex Gürteltier an einer Säule lehnte und sich suchend umsah, als erwarte er jemanden. Nadia wollte schon hingehen und Hallo sagen, aber Alex hielt sie am Arm zurück.
    »Warte, Aguila, ich will wissen, was dieser Typ hier macht. Der gefällt mir nicht.«
    »Er hat dir das Leben gerettet, schon vergessen?«
    »Nein, aber irgendwas ist komisch an dem.«
    »Was?«
    »Er sieht aus wie verkleidet. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er hinter Drogen her ist, wie er uns im Flugzeug weismachen wollte. Hast du seine Muskeln gesehen? Der kann doch vor Kraft kaum laufen, der würde gut in einen Karatefilm passen. Wie ein Junkie sieht der jedenfalls nicht aus.«
    Zwischen den Besuchergruppen verborgen, ließen sie ihn nicht aus den Augen. Mit einem Mal war wenige Schritte neben Tex Gürteltier ein groß gewachsener Mann aus der Menge getreten, der eine Tunika und einen Turban aus schwarzblauem Stoff trug. Seine Haut hatte fast die gleiche Farbe. Vor dem Bauch spannte sich eine breite schwarze Schärpe, in der ein Krummsäbel mit Knochengriff steckte. In seinem dunklen Gesicht mit dem langen Bart und den buschigen Augenbrauen glühten pechschwarz die Augen.
    Alex und Nadia sahen, wie der Neuankömmling und der Amerikaner einander kurz zunickten, dann verschwand der Turbanträger hinter einem Mauervorsprung, Tex Gürteltier folgte ihm, und Nadia und Alex brauchten es nicht auszusprechen: Natürlich wollten sie wissen, was da vorging. Nadia flüsterte Borobá ins Ohr, er solle bei ihr bleiben und sich still verhalten. Das Äffchen hängte sich wie ein Rucksack an ihren Rücken.
    Sie drückten sich an den Mauern entlang und huschten von Säule zu Säule in einigen Metern Abstand hinter Tex Gürteltier her. Es war unverkennbar, dass der sich Mühe gab, nicht gesehen zu werden, und manchmal verloren sie ihn tatsächlich aus den Augen, denn dieses Fort war ein verwinkelter Irrgarten, aber jedes Mal hatte Nadia die richtige Eingebung und fand ihn wieder. Schon waren sie weit von den anderen Touristen entfernt, hörten und sahen niemanden mehr. Sie durchquerten Säle, stiegen schmale Treppen mit ausgetretenen, verwitterten Stufen hinunter und folgten langen Korridoren. Zu dem beißenden Gestank kam jetzt ein lauter werdendes Gezischel wie ein aus dem Takt geratenes Grillenkonzert.
    »Nicht noch tiefer, Aguila. Das sind die Ratten. Die können gefährlich werden«, flüsterte Alex.
    »Wenn die da vorn hinuntergehen, warum dann wir nicht?«
    ~
    Die beiden schlichen immer weiter durch die unterirdischen Gänge und redeten nicht mehr, denn jedes Geräusch hallte gespenstisch an den Wänden wider. Alex fragte sich, wie sie je wieder nach oben finden sollten, aber er hielt den Mund, denn er wollte vor Nadia nicht als Angsthase dastehen. Auch dass es hier unten vielleicht Schlangennester gab, sagte er nicht, schließlich hatte er Nadia mit den Kobras gesehen, also konnte er sich die Unkerei wohl sparen.
    Am Anfang war noch etwas Licht durch kleine Spalten in der Decke und in den Mauern gefallen, aber nun war es über weite Strecken ziemlich finster, und sie mussten sich an den Wänden entlang vorwärts tasten. Hier und da hingen Glühbirnen und warfen einen schwachen Schein auf die herumwuselnden Ratten. Die Elektrokabel hingen wenig vertrauenerweckend von der Decke. Der Boden war feucht, und an manchen Stellen quoll stinkendes Wasser aus Mauerritzen. Bald hatten sie nasse Füße, und Alex verscheuchte den Gedanken daran, was wohl passierte, wenn man durchnässt eines der blanken Kabel berührte. So ein Stromschlag war vermutlich auch weniger schmerzhaft als ein Angriff der Ratten, die immer dreister wurden und ihren Schritten kaum mehr auswichen.
    »Nicht drauf achten, Jaguar«, wisperte Nadia. »Sie trauen sich nicht ran, aber wenn sie mitkriegen, dass wir Angst haben, beißen sie.«
    Plötzlich war Tex Gürteltier wieder verschwunden. Alex und Nadia hatten einen kleinen Gewölbekeller erreicht, der wohl einmal zur Lagerung von Munition oder Lebensmitteln gedient hatte. An drei Seiten gingen dunkle Gänge ab. Alex deutete wortlos mal auf den einen, mal auf den

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