Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
gleichzeitig so anziehend weiblich. Sie mussten sich zusammenreißen, denn am liebsten hätten sie Judit Kinski unentwegt angestarrt.
    »Der König ist ein Vorkämpfer für die ökologische Sache. Schade, dass es nicht mehr von der Sorte unter den Regierenden gibt«, sagte Kate. »Er hat den International Geographic abonniert. Deshalb hat er uns gestattet, die Reportage über sein Land zu machen, und dafür gesorgt, dass wir Visa bekommen.«
    »Ein faszinierendes Land«, sagte Judit Kinski.
    »Waren Sie schon einmal dort?«, wollte Timothy Bruce wissen.
    »Nein, aber ich habe viel darüber gelesen. Ich habe versucht, mich möglichst gut auf diese Reise vorzubereiten, nicht nur auf meine Arbeit, sondern auch darauf, wie die Menschen dort leben, auf ihren Alltag, ihre Zeremonien … Ich möchte sie nicht mit meinen rüden westlichen Manieren vor den Kopf stoßen.« Sie lächelte.
    »Bestimmt haben Sie auch von diesem sagenumwobenen Goldenen Drachen gehört …«, sagte Timothy Bruce.
    »Es heißt, dass ihn außer den Königen nie jemand gesehen hat. Vielleicht ist er bloß eine Legende.« Sie zuckte die Achseln.
    Das Thema wurde nicht weiter vertieft, aber Alex hatte bemerkt, wie die Augen seiner Großmutter kurz aufgeleuchtet hatten, und erriet, dass sie alles daransetzen würde, diesen Schatz zu Gesicht zu bekommen. Sie war schließlich mit Leib und Seele Reporterin, und die Herausforderung, als Erste die Existenz dieses Drachen zu beweisen, musste sie unwiderstehlich reizen.
    Kate Cold und Judit Kinski tauschten Nettigkeiten aus und versicherten einander, dass sie sich helfen würden, wie das unter Ausländern üblich ist, die in eine unbekannte Gegend reisen. Am anderen Ende der Terrasse saß Tex Gürteltier mit der Zeitung auf den Knien bei seinem Bier. Seine Augen konnte man hinter der verspiegelten Sonnenbrille nicht sehen, aber Nadia spürte, dass sein Blick prüfend auf der Gruppe ruhte.
    ~
    Es blieben ihnen nur drei Tage, um sich die Stadt anzusehen. Zum Glück sprachen viele Leute Englisch, denn Indien war ja früher britische Kolonie gewesen. Aber Kate hatte gesagt, sie sollten sich keine Hoffnungen machen, in der kurzen Zeit würden sie Neu-Delhi doch nur von außen betrachten können, und die verzwickte indische Gesellschaft zu verstehen sei ohnehin eher eine Lebensaufgabe. Die Gegensätze konnten einen in den Wahnsinn treiben: unfassbares Elend auf der einen, Schönheit und Überfluss auf der anderen Seite. Millionen von Menschen hier konnten weder lesen noch schreiben, und gleichzeitig wurden an den Universitäten die besten Techniker und Wissenschaftler ausgebildet. In den Dörferngab es kein Trinkwasser, aber das Land baute Atombomben. Indien besaß die größte Filmindustrie der Welt und die größte Zahl von Sadhus, die sich mit Asche bestreuten und sich nie die Haare und Fingernägel schnitten. Allein um bei den vielen tausend hinduistischen Göttern durchzublicken oder das Kastensystem zu verstehen, hätte man Jahre gebraucht.
    Alex, der es aus den Vereinigten Staaten gewöhnt war, dass man aus seinem Leben mehr oder weniger machen konnte, was man wollte, fand es fürchterlich, dass einem der Lebensweg durch die Kaste, in die man hineingeboren wurde, vorgezeichnet sein sollte. Nadia dagegen hörte sich Kates Erklärungen kommentarlos an.
    »Wenn du hier geboren wärst, könntest du noch nicht einmal selbst entscheiden, wen du heiraten willst, Aguila. Mit zehn hätten sie dich an einen fünfzigjährigen Schmerbauch verheiratet. Dein Vater hätte alles eingefädelt, und du dürftest noch nicht einmal Piep sagen.« Alex war empört.
    »Bestimmt würde mein Vater eine bessere Wahl treffen als ich.« Nadia grinste.
    »Hast du sie noch alle? Ich würde mir das nie gefallen lassen!«
    »Wenn wir bei den Nebelmenschen am Amazonas aufgewachsen wären, müssten wir mit vergifteten Pfeilen auf die Jagd gehen, um für etwas Essbares zu sorgen. Wären wir hier aufgewachsen, würden wir es ganz normal finden, dass unsere Eltern uns verheiraten«, sagte Nadia.
    »Wie kannst du so ein Leben verteidigen? Sieh dich doch um, all die Armen! Würdest du so leben wollen?«
    »Nein, Jaguar, aber ich würde auch nicht zwischen lauter unnützem Krempel leben wollen.«
    Zusammen mit Kate besichtigten Alex und Nadia Paläste und Tempel und streiften über Märkte, wo Alex Armkettchen für seine Mutter und seine Schwestern erstand und Nadia sich wie eine indische Braut die Hände mit Henna bemalen ließ. Das sah ein bisschen

Weitere Kostenlose Bücher