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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ihn wieder. Zu Hause hatte sie Menschen und Tiere auf die Welt kommen und sterben sehen, sie wusste, das alles Leben demselben Werden und Vergehen unterworfen ist. Das war der Kreislauf der Natur. Sie schlug die Augen auf und suchte die Sterne, aber sie konnte schon nichts mehr erkennen, um sie herwar nur tiefes Düster, kein Schimmer des Mondes, der schwach die Gipfel des Himalaja beschien, drang bis an den Grund dieses Grabens. Sie schloss die Augen wieder und stellte sich vor, dass ihr Vater sie festhielt. Walimais Ehefrau kam ihr in den Sinn, diese flüchtige Geisterfrau, die den alten Zauberer überallhin begleitete, und sie fragte sich, ob nur die Seelen der Indianer nach dem Tod zwischen Himmel und Erde wandeln konnten. Bestimmt würde auch sie das können, und dann würde sie gerne als Geist zurückkehren, um ihren Vater und Jaguar zu trösten, aber es war so anstrengend, daran zu denken, und sie wollte nichts als schlafen.
    Nadia löste alle Fesseln, die sie an die Welt banden, und wie in den Augenblicken, wenn sie zum Adler wurde, erhob sie sich leicht, mühelos und ohne Schmerz auf mächtigen Schwingen in die Lüfte, immer höher und höher hinauf.
    ~
    Borobá führte Alex in die Berge, wo er Nadia verlassen hatte. Er war so erschöpft, nachdem er diese Strecke nun schon zum dritten Mal ohne Pause zurücklegte, dass er sich etliche Male irrte, aber immer fand er wieder auf den richtigen Weg zurück. Als sie den Wildwechsel erreichten, der zur Höhle der Blauen Krieger führte, hatten die es bereits aufgegeben, nach Nadia zu suchen, und sich anderen Dingen zugewandt. Ihr Anführer hatte irgendwann entschieden, dass sie nicht noch mehr Zeit mit der Suche nach der entwischten Gefangenen vergeuden konnten, sie mussten sich an die Anweisungen des Amerikaners halten und sich mit den anderen treffen. Alex entdeckte überall Hufspuren und Pferdeäpfel; hier mussten die Skorpionkrieger gewesen sein, aber er sah keinen in der Nähe. Dennoch, er konnte unmöglich weiterreiten, die Hufschläge seines Pferdes dröhnten ihm in den Ohren wie eine Alarmglocke, falls es Wachen gab, mussten sie ihn einfach hören. Er stieg ab und ließ das Pferd laufen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, auch wenn er es bestimmt nicht noch einmal würde einfangen können und den Abstieg dann zu Fuß machen musste.
    Zwischen Steinen und Felsbrocken verborgen, kraxelte er weiter in die Richtung, in die Borobás zitternde Finger deuteten. Errobbte bis auf etwa siebzig Meter an die Höhle heran, vor der drei Wachen mit Gewehren postiert waren. Die anderen mussten dort drin sein, oder womöglich waren sie schon weitergezogen, denn er sah sonst niemanden. Bestimmt waren Nadia und Pema mit den übrigen vermissten Mädchen in der Höhle, aber allein und unbewaffnet konnte er es mit den Skorpionkriegern unmöglich aufnehmen. Er wusste nicht weiter, aber weil Borobá herumzappelte und keine Ruhe gab, kamen ihm schließlich Zweifel, ob Nadia wirklich in der Höhle war.
    Der Affe zerrte Alex am Ärmel und zeigte weiter den Hang hinauf. Alex genügte ein flüchtiger Blick, um zu wissen, dass er Stunden für den Aufstieg brauchen würde. Ohne den Rucksack würde es schneller gehen, aber er wollte sich nicht von der Ausrüstung trennen.
    Er überlegte, ob er umkehren und in Tunkhala um Hilfe bitten oder weiter nach Nadia suchen sollte. Kehrte er um, konnte er die Gefangenen vielleicht retten, aber er würde viel Zeit verlieren, zu viel womöglich, falls Nadia in der Klemme steckte, und das wollte Borobá offensichtlich sagen. Kam er zuerst Nadia zu Hilfe, konnte das für die anderen verheerend sein. Aber die Skorpionkrieger würden die Mädchen ganz bestimmt nicht umbringen. Schließlich waren sie doch das Risiko eingegangen, sie zu entführen.
    Er kletterte weiter, und es war bereits dunkel, als er die Kuppe erreichte, aber wie ein großes silbernes Auge stand nun ein riesiger Mond am Himmel. Borobá sah sich verwirrt um. Er sprang aus dem warmen Anorak, flitzte hier hin und dort hin und kreischte verzweifelt. Er musste Nadia hier erwartet haben. In einem Hoffnungstaumel begann Alex, nach ihr zu rufen, allerdings leise, denn es war so still hier, dass er fürchtete, die Skorpionkrieger unten könnten ihn hören. Bald musste er einsehen, dass die Suche im Dunkeln zwischen all den Felsbrocken und Klüften aussichtslos war, und er beschloss, auf die Morgendämmerung zu warten.
    Er kauerte sich zwischen zwei Felsen, schob sich den Rucksack als Kissen unter

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