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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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kneteten sie zu dritt Nadias Hände, Arme und Beine, bis ihr Kreislauf wieder in Schwung kam, und sobald sie etwas Farbe hatte, nahmen sie eines der Yakfelle und hüllten Nadia ganz darin ein, dass nicht einmal mehr der Kopf herausguckte.
    Mit den Wanderstäben, Alexanders Seil und dem zweiten Yakfell bauten sie eine Bahre und trugen Nadia bis zu einer der zahlreichen kleinen Höhlen, die es hier oben gab. Bis zur Einsiedelei von Tensing und Dil Bahadur wäre es zu weit und beschwerlich gewesen, und der Lama war der Meinung, sie seien hier für den Rest der Nacht vor den Skorpionkriegern sicher.
    ~
    Dil Bahadur hatte trockenes Geäst und Wurzeln gesammelt und entfachte ein kleines Feuer, das ihnen etwas Wärme und Licht spendete. Sehr behutsam zogen sie Nadia die Daunenjacke aus, und Alex entfuhr ein Schreckensschrei, als er den dick geschwollenen Arm sah, der in einem seltsamen Winkel an ihrer Schulter hing. Tensing hingegen zuckte nicht mit der Wimper.
    Er öffnete sein Holzkästchen und setzte Nadia gegen die Schmerzen einige Akupunkturnadeln am Kopf. Dann nahm er welche von den Heilkräutern aus seinem Beutel und zerrieb sie zwischen zwei Steinen, während Dil Bahadur in seinem Essnapf etwas Butter über dem Feuer schmolz. Der Lama verrührte das Pulver mit dem Fett zu einer dunklen, duftenden Paste. Mit einigen fachmännischen Griffen renkte er Nadias Schulter wieder ein und bedeckte danach den ganzen Bereich mit der Paste, ohne dass Nadia den leisesten Mucks von sich gab, so gut wirkte die Akupunktur. Durch Gedankenübertragung und Gebärden machte Tensing Alexander klar, dass man sich verkrampft, wenn man Schmerzen hat, und dadurch die eigene Vorstellungskraft daran gehindert wird, ihre natürlichen Heilkräfte zu entfalten. Die Akupunktur betäube nicht nur den Schmerz, sondern rege auch die körpereigene Abwehr an. Nadia tue nichts mehr weh.
    Dil Bahadur riss ein paar Streifen vom Saum seines Umhangs, erwärmte Wasser, rührte eine Handvoll Asche vom Lagerfeuer hinein, feuchtete die Stoffstreifen damit an und gab sie dann dem Lama, der Nadias verletzte Schulter damit verband. Zusätzlich stabilisierte Tensing Nadias Arm mit einem Schal, nahm danach die Akupunkturnadeln weg und wies Alexander an, Nadias Stirn gegen das Fieber mit Raureif und Schnee zu kühlen, den man in den Felsritzen zusammenkratzen konnte.
    In den folgenden Stunden waren Tensing und Dil Bahadur ganz davon in Anspruch genommen, Nadia durch Gedanken zu heilen. Für den Prinzen war es das erste Mal, dass er diese Heilmethode bei einem Menschen anwandte. Sein Meister hatte ihn darin jahrelang unterrichtet, aber bisher hatte er nur an verwundeten Tieren geübt.
    Wenn Alex das richtig verstand, dann versuchten seine neuen Freunde, die Energie des Universums zu bündeln und Nadia damit zu stärken. Dil Bahadur übermittelte ihm in Gedanken, dass sein Meister Arzt war und außerdem ein mächtiger Tulku, der auf einen großen Erfahrungsschatz aus früheren Wiedergeburten zurückgreifen könne. Zwar war sich Alex nicht ganz sicher, ob er diese telepathischen Botschaften vollständig begriff, aber er besaß doch ausreichend Fingerspitzengefühl, um die beiden nichtmit Fragen zu stören. Er kniete neben Nadia, kühlte ihre Stirn mit Schnee und gab ihr Wasser, wenn sie für kurze Momente zu sich kam. Außerdem kümmerte er sich um das Feuer, bis ihm das Brennmaterial ausging. Bald schon verjagte der erste Glanz der Morgendämmerung die Nacht, während die beiden Mönche noch immer im Lotossitz mit geschlossenen Augen dasaßen, mit der rechten Hand Nadia berührten und Mantras murmelten.
    Viel später, als Alex sich diese Nacht noch einmal durch den Kopf gehen ließ, fand er nur ein einziges Wort für das, was die beiden Mönche geschafft hatten: Zauberei. Er konnte sich ihre Heilmethode nicht anders erklären. Bestimmt war Tensings Paste irgendeine im Rest der Welt unbekannte Medizin, aber im Grunde war Alex davon überzeugt, dass Tensing und Dil Bahadur Nadia vor allem durch ihre Gedanken geholfen hatten.
    Während der Stunden, die der Lama und der Prinz auf Nadias Heilung verwandten, dachte Alex viel an seine Mutter, die weit weg in Kalifornien war. Er stellte sich ihre Krebserkrankung wie einen Terroristen vor, der in ihr drin im Untergrund lebte und jederzeit wieder zuschlagen konnte. Sie waren alle so erleichtert gewesen, als es ihr besser ging, aber sie wussten, die Gefahr war nicht endgültig gebannt. Mit der Chemotherapie, dem Wasser des Lebens

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