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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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legen, denn sie war noch nicht völlig gesund und brauchte Ruhe; der Körper sei der Tempel des Geistes, und man müsse ihn mit Respekt und Umsicht behandeln, sagte er. Er gab ihr zu verstehen, sie solle sich ihre Knochen am rechten Platz vorstellen, ihre Schulter ohne Entzündung und ihre Haut frei von den blauen Flecken und Schrammen, die sie sich in den letzten Tagen zugezogen hatte.
    »Wir sind, was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht durch unsere Vorstellung. Sie erschafft die Welt«, teilte er ihr in Gedanken mit.
    Nadia verstand in groben Zügen, was er ihr sagen wollte: Sie konnte sich durch ihre Gedanken heilen. Tensing und Dil Bahadur hatten ihr das in den letzten Stunden der Nacht bewiesen.
    »Pema und die anderen sind in Lebensgefahr«, sagte sie zu Alex. »Womöglich sind sie gar nicht mehr in der Höhle, und die Skorpionkrieger sind schon mit ihnen weitergezogen.«
    »Aber du hast doch jede Menge Waffen, Zaumzeug und Vorräte dort gesehen. So ein Lager in ein paar Stunden aufzulösen ist bestimmt nicht so einfach«, gab er zu bedenken.
    »Jedenfalls ist keine Zeit zu verlieren, Jaguar.«
    Tensing gebot ihr, sich auszuruhen, während er mit Dil Bahadur und Alexander die Gefangenen befreien würde. Bis zu der Höhle war es nicht weit, und Borobá konnte sie hinführen. Nadia versuchte ihm klarzumachen, dass sie es mit den schrecklichen Skorpionkriegern würden aufnehmen müssen, aber der Lama schien das nicht zu begreifen, denn als Antwort erhielt sie bloß ein stummes Lächeln.
    ~
    Die beiden Mönche hatten außer ihren langen Wanderstäben, dem Bogen und dem Köcher mit Pfeilen keine Waffen dabei; der Rest war in der Einsiedelei geblieben. Der einzige Schutz des Prinzen war das Stück Drachenkot aus dem Tal der Yetis, das er noch immer um den Hals trug. In den Klöstern, wo der Prinz einen Teil seiner Ausbildung erhielt, traten sie manchmal mit einer ganzen Reihe von Waffen gegen die dortigen Mönche an. Bei diesen Freundschaftskämpfen wurde selten jemand verletzt, denn alle Kämpfer waren erfahren und gaben Acht. Tensing trug dann einen gepolsterten Lederschutz über Brust und Rücken und panzerte seine Unterarme und Beine mit Metallschilden. War er schon ohne diese Ausstattung ein Hüne, wurde er durch sie vollends zum Koloss. Auf diesem massigen Körperberg wirkte der Kopf winzig und der sanfte Gesichtsausdruck endgültig fehl am Platz. Am liebsten schleuderte er messerscharfe gezackte Metallscheiben und kämpfte mit seinem Schwert, das kein normaler Mensch mit zwei Armen auch nur hochheben konnte, er dagegen mühelosmal mit der Rechten, mal mit der Linken führte. Er konnte im Handumdrehen einen Gegner entwaffnen, mit dem Schwert einen Harnisch entzweihauen oder mit den Wurfscheiben die Wangen seiner Angreifer streifen, ohne sie zu verletzen.
    Dil Bahadur besaß zwar nicht die Kraft und Erfahrung seines Meisters, war dafür aber beweglich wie ein Wiesel. Er kämpfte ohne Harnisch oder andere Panzerungen, weil die ihn nur behindert hätten, und sein zuverlässigster Schutz war seine Schnelligkeit. In fließenden Bewegungen wich er Messern, Pfeilen und Lanzen aus. Das sah aus, als würde er tanzen, und machte seine Kämpfe zu einem Schauspiel. Der Bogen war seine bevorzugte Waffe, denn er gebrauchte ihn zielsicher wie kein Zweiter: Was er anvisierte, das traf er auch. Durch das Training mit seinem Meister war der Bogen für ihn zu einem weiteren Körperteil und der Pfeil zur Verlängerung seines Armes geworden, er zielte mit dem dritten Auge und ließ die Sehne im entscheidenden Augenblick rein instinktiv los. Tensing hatte ihn unbedingt zu einem vollkommenen Bogenschützen ausbilden wollen, weil er überzeugt war, dass Bogenschießen das Herz reinigt. Ihm zufolge konnte nur ein reines Herz diese Waffe ganz beherrschen. Der Prinz schoss zwar nie daneben, machte sich jedoch manchmal über diese Behauptung Tensings lustig und sagte, sein Arm habe ja keinen Schimmer von den Unreinheiten seines Herzens.
    Wie alle Tao-Shu-Kämpfer nutzten auch diese beiden die Körperbeherrschung nur als ein Mittel zur Selbsterkenntnis und inneren Stärkung und niemals dazu, jemandem wehzutun. Die Achtung gegenüber allem Lebendigen war die Grundlage ihres Glaubens, und die beiden richteten sich danach. Jedes Geschöpf hätte in einem früheren Leben ihre Mutter gewesen sein können, und so musste alles Lebendige mit Güte behandelt werden. Aber was einer glaubt oder nicht glaubt, ist einerlei, sagte der Lama immer,

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