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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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zu ihm noch zu ihr und außerdem: Warum sollten die beiden sich verstecken?
    »Wir müssen den König suchen«, sagte Kate.
    »Möglicherweise sind auch wir schon auf diese Idee gekommen, Mütterchen«, knirschte General Kunglung.
    Der General schickte nach einer der Nonnen, damit sie ihn ins Untergeschoss des Palastes führte, wurde aber Kate und Wandgi einfach nicht los, denn die Reporterin hatte sich wie eine Klette an seinen Arm gehängt und schien nicht gewillt, lockerzulassen. Eine solche Unverfrorenheit ist mir wirklich noch nie untergekommen, dachte der General.
    Sie folgten der Nonne ins zweite Untergeschoss, durchquerten Hunderte von miteinander verbundenen Räumen und erreichten endlich den Saal der Letzten Tür. Sie hatten keine Augen für das prächtige Portal, denn davor lagen die königlichen Wachen mit dem Gesicht nach unten in ihrem Blut. Einer der Männer war tot, aber der andere lebte noch und sagte ihnen mit letzter Kraft, Skorpionkrieger seien, angeführt von einem Weißen, in den Heiligen Bezirk eingedrungen und nicht nur lebend wieder herausgekommen, sondern sie hätten auch den König verschleppt und den Goldenen Drachen gestohlen.
    Myar Kunglung tat jetzt seit vierzig Jahren Dienst beim Militär, aber einen Ernstfall hatte er noch nie erlebt. Sicher, seine Soldaten spielten ein bisschen Krieg und hielten Paraden ab, aber in diesem Land kam es fast nie zu Gewalttätigkeiten. Er selbst hatte niemals seine Waffe gegen jemanden richten müssen, und keiner seiner Soldaten wusste wirklich, was es heißt, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Dass der Monarch aus seinem eigenen Palast entführt werden konnte, ging über seinen Verstand. Mehr noch als von Entsetzen oder Zorn wurde der General von einem Gefühl der Scham überwältigt: Er hatte seine Pflicht nicht erfüllt, er war unfähig gewesen, seinen geliebten König zu schützen.
    Für Kate blieb im Palast nichts mehr zu tun. Sie verabschiedete sich von dem am Boden zerstörten General und eilte mit Wandgi im Schlepptau zum Hotel. Sie musste sich mit Alexander beratschlagen.
    »Mir scheint, der junge Amerikaner hat sich ein Pferd geliehen, und ist damit weggeritten. Er ist vielleicht noch nicht zurück«, teilte ihr der Hotelbesitzer zuvorkommend lächelnd unter unzähligen Verbeugungen mit.
    »Wann war das? War er allein?« Kate schwante Schreckliches.
    »Mag sein, dass er gestern weggeritten ist, und er könnte einen Affen dabeigehabt haben.« Der Mann gab sich wirklich alle Mühe, zu diesem verschrobenen Mütterchen so höflich wie möglich zu sein.
    »Borobá!« Das konnte doch nur heißen, dass Alexander nach Nadia suchte.
    »Ich hätte die Kinder niemals mitnehmen dürfen!« Kate musste husten und sackte auf einem Stuhl zusammen.
    Wortlos drückte ihr der Hotelbesitzer ein Glas Wodka in die Hand.

DREIZEHNTES KAPITEL
Der Goldene Drache
    Am Vorabend hatte der König stundenlang vor dem Großen Buddha meditiert, wie er das immer tat, ehe er in die Heilige Kammer hinabstieg. Wie viel er von den Botschaften der Statue verstand, hing von seiner seelischen Verfassung ab. Sein Herz musste rein sein, frei von allen Wünschen, Ängsten, Erwartungen, Erinnerungen und schlechten Absichten, offen wie eine Lotosblüte. Er nahm sich viel Zeit für das Gebet, denn im Innersten spürte er, wie verwundbar er war. Er war ja kaum mehr Herr seiner eigenen Empfindungen und hielt die Zügel seines Königreichs nur noch lose in Händen.
    Da sein Vater so früh gestorben war, hatte er vor der Zeit den Thron besteigen müssen, und seine Ausbildung durch die Lamas war nicht vollständig gewesen. Es fehlte ihm an Wissen, und er hatte seine übersinnlichen Fähigkeiten nicht ausreichend entwickelt. So hätte er zwar willentlich mit dem Atmen aufhören und sterben können, aber er wusste weder die Aura noch die Gedanken der Menschen zu lesen, hatte nie weite Trancereisen unternommen und konnte nicht durch Gedanken heilen. Diesen Mangel hatte er durch Einfühlungsvermögen und dauernde spirituelle Übung auszugleichen gewusst. Er war ein gütiger König, der sich ganz dem Wohlergehen seines Landes widmete. Ein Kreis treuer Ratgeber half ihm, die richtigen Entscheidungen zu treffen, und hielt ihn über die Ereignisse in seinem Land und in der Welt auf dem Laufenden. Da er sich nicht zum König berufen fühlte, herrschte er ohne Hochmut. Immer hatte er gehofft, sich in ein Kloster zurückziehen zu können, sobald sein Sohn Dil Bahadur alt genug wäre, den Thron zu besteigen,

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