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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Santos darum, dass die Unmengen Gepäck der Expeditionsteilnehmer von Bord geschafft wurden. Er entschuldigte sich dafür, nicht wie vorgesehen in Manaus gewesen zu sein. Wie er erklärte, hatte er mit seiner Maschine zwar einst den ganzen Amazonas überflogen, sie war aber schon sehr alt, und in den letzten Wochen hatte sie nach und nach Teile des Motors verloren. Da er nur knapp einem Absturz entronnen sei, habe er sich endlich doch dazu entschlossen, einen neuen Motor zu bestellen, der in den nächsten Tagen geliefert werden müsse, und mit einem Lächeln fügte er hinzu, er könne seine Tochter Nadia nicht gut zur Waisen machen. Schließlich brachte er sie ins Hotel, eine Bretterbude auf Pfählen am Flussufer, die sich auf den ersten Blick in nichts von den anderen windschiefen Hütten des Dorfes unterschied. Innen türmten sich Bierkästen, und auf der Theke reihten sich die Schnapsflaschen. Unterwegs war Alex aufgefallen, dass die Männer trotz der Hitze schon zum Frühstück Alkohol tranken, und bis spät in die Nacht hatten sie das Zeug literweise intus. Die primitive Behausung diente den Besuchern des Ortes als Stützpunkt, Schlafstatt, Restaurant und Bar. Kate Cold und Ludovic Leblanc bekamen zwei Kammern, die vom übrigen Raum durch an Schnüren aufgehängte Laken abgeteilt waren. Die anderen schliefen in Hängematten unter Moskitonetzen.
    Santa María de la Lluvia war ein verschlafenes Nest am Ende der Welt. Eine Handvoll Siedler züchtete hier eine Rindersorte mit sehr langen Hörnern; die Übrigen wuschen Gold aus dem Flussbett, handelten mit Holz oder mit Kautschuk aus den Wäldern; ein paar waren Garimpeiros, Diamantensucher, die zu waghalsigen Erkundungen allein in den Urwald aufbrachen; aber die allermeisten siechten stumpfsinnig vor Hitze und Langeweile dahin und warteten, dass ihnen auf wundersame Weise die Chance ihres Lebens in den Schoß fiel. Das jedenfalls waren die sichtbaren Aktivitäten. Im Verborgenen wurde mit exotischen Vögeln gehandelt, mit Drogen und Waffen. Grüppchen von Soldaten hockten im Schatten, die Gewehre über der Schulter, die Hemden schweißnass, und spielten Karten oder rauchten. Alex sah ein paar Dorfbewohner, dieweder Haare noch Zähne hatten und halb blind und mit Pusteln übersät gestikulierend Selbstgespräche führten; es waren Goldwäscher, die vom Quecksilber irre geworden waren und langsam zugrunde gingen. Sie tauchten in den Fluss hinab und saugten mit mächtigen Rohren den mit Goldstaub durchsetzten Sand auf. Etliche ertranken; bei manchen war es ein Unfall, anderen hatten ihre Konkurrenten die Luftschläuche durchgeschnitten; die meisten aber wurden nach und nach vom Quecksilber vergiftet, das sie einsetzten, um das Gold vom Sand zu scheiden.
    Die Kinder des Dorfes hingegen spielten zusammen mit einigen zahmen Affen und dürren Hunden glücklich im Matsch. Es gab auch einige Indianer, viele davon in T-Shirts und kurzen Hosen, andere so nackt wie die Kinder. Beschämt wagte es Alex zunächst nicht, die Brüste der Frauen anzusehen, aber er hatte sich rasch daran gewöhnt, und schon bald fielen sie ihm nicht mehr weiter auf. Diese Indianer lebten seit vielen Jahren in Kontakt mit der Zivilisation und hatten ihre traditionelle Lebensweise und ihre Bräuche weitgehend aufgegeben, erklärte César Santos. Die Tochter des Führers, Nadia, sprach mit ihnen in ihrer eigenen Sprache und wurde dafür von ihnen wie ein Stammesmitglied behandelt.
    Wenn das die wilden Indianer sein sollten, die Leblanc beschrieben hatte, so machten sie keinen besonderen Eindruck: Sie waren klein, die Männer nicht größer als einsfünfzig, und die Kinder sahen aus wie Miniaturmenschen. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte Alex sich groß. Die Indianer hatten bronzefarbene Haut und hohe Wangenknochen; die Männer trugen eine Art Topffrisur, das Haar oberhalb der Ohren kreisrund abgeschnitten, und sahen irgendwie asiatisch aus. Sie waren Nachfahren der Bewohner Nordchinas, die etwa zehn- oder zwanzigtausend Jahre zuvor über Alaska kommend den Kontinent besiedelt hatten. Dass sie so abgeschieden lebten, hatte sie während der Eroberung Amerikas im sechzehnten Jahrhundert vor der Versklavung bewahrt. Die spanischen und portugiesischen Eroberer konnten es mit den Sümpfen, den Moskitos, dem Pflanzendickicht, den riesigen Strömen und Wasserfällen im Amazonasgebiet nicht aufnehmen.
    Nachdem sich die Gruppe im Hotel eingerichtet hatte, kümmerte sich César Santos um die Ausrüstung für

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