Die Abenteuer von Aguila und Jaguar
war, wie er vorhergedacht hatte, sondern rau. Alex wünschte sich, dass dieses Spiel nie zu Ende gehen möge, er war bereit, für den Rest seines Lebens im Fluss zu bleiben, aber plötzlich schlug der Delfin wie zum Abschied mit der Schwanzflosse aufs Wasser und verschwand.
»Hast du das gesehen, Oma? Das glaubt mir nie einer!«, keuchte Alex, als er wieder an Bord geklettert war, er war so aufgeregt, dass er kaum sprechen konnte.
»Hier habe ich den Beweis.« Lächelnd deutete sie auf die Kamera. Auch die beiden Fotografen der Expedition, Bruce und González, hatten die Szene festgehalten.
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Je weiter sie auf dem Río Negro vordrangen, desto üppiger wucherte das Grün, die Luft war schwanger von Düften, die Zeit verging immer langsamer, und die Entfernungen ließen sich schwerer abschätzen. Wie Träumende durchquerten sie diese verwunschene Landschaft. Nach und nach leerte sich das Boot. Mit ihrem Gepäck und ihren Tieren beladen, gingen die Passagiere an einzelnen Hütten oder kleinen Siedlungen am Ufer von Bord. Die Radios an Deck konnten die persönlichen Nachrichten aus Manaus schon nicht mehr empfangen und dröhnten einem auch nicht mehr mit den immer gleichen Rhythmen die Ohren voll, die Menschen schwiegen, während die Natur unter dem Konzert der Vögel und Affen erbebte. Einzig der Motorenlärm verriet die Gegenwart von Menschen inmitten dieses grenzenlosen Pflanzenmeeres. Als sie schließlich Santa María de la Lluvia erreichten, waren neben der Besatzung nur noch die Teilnehmer an der Expedition des International Geographic, Dr. Omayra Torres und zwei Soldaten auf dem Schiff und auch die beiden jungen Mormonen, die unter irgendeiner Mageninfektion litten. Trotz der Antibiotika, die ihnen die Ärztin verabreicht hatte, waren sie so geschwächt, dass sie kaum die Augen aufschlagen konnten und den glutheißen Urwald bisweilen mit den schneebedeckten Bergen in ihrer Heimat Utah verwechselten.
»Santa María de la Lluvia, die letzte Enklave der Zivilisation«, sagte der Kapitän, als an einer Windung des Flusses der Ort in Sicht kam.
»Dahinter beginnt das magische Land, Alexander«, sagte Kate Cold zu ihrem Enkel.
»Gibt es noch Indianer, die nie in Kontakt mit unserer Zivilisation gekommen sind?«, fragte er.
»Man schätzt, dass es noch etwa zwei- bis dreitausend gibt, aber eigentlich weiß das keiner so genau«, antwortete Omayra Torres.
Santa María de la Lluvia hob sich wie ein menschlicher Irrtum von dieser überbordenden Natur ab, die den Ort jederzeit zu verschlingen drohte. Er bestand aus etwa zwanzig Hütten, von denen eine bei Bedarf als Hotel diente, in einer kleineren unterhielten zwei Nonnen eine Krankenstation, außerdem gab es einige winzige Läden, eine katholische Kirche und eine Militärkaserne. Die Ärztin hatte ihnen erzählt, dass die Soldaten die Grenze überwachten und den Handel zwischen Venezuela und Brasilien kontrollierten. Dem Gesetz zufolge hätten sie auch die indianischen Eingeborenen vor den Übergriffen der Siedler und Glücksritter schützen sollen, das taten sie aber nicht. Die Fremden nahmen ungehindert von dem Land Besitz, drängten die Indianer in immer unwirtlichere Gegenden oder brachten sie ungestraft um.
Am Steg von Santa María de la Lluvia wurden sie von einem hochgewachsenen Mann erwartet, dessen scharfgeschnittenes Profil an einen Vogel erinnerte, seine Züge wirkten männlich und offen, seine Haut war wettergegerbt und das dunkle Haar im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden.
»Willkommen. Ich bin César Santos, und das ist meine Tochter Nadia«, begrüßte er sie in einem melodischen Englisch.
Alex schätzte das Mädchen etwa so alt wie seine Schwester Andrea, vielleicht zwölf oder dreizehn. Sie hatte einen von der Sonne gebleichten Wuschelkopf, ihre Augen und ihre Haut waren honigfarben; sie trug kurze Hosen, ein T-Shirt und Plastikschlappen. Um die Handgelenke hatte sie viele bunte Bänder geschlungen, über dem einen Ohr steckte eine gelbe Blume, durch das Ohrläppchen des anderen hatte sie eine lange grüne Feder gezogen. Alex dachte, wenn seine Schwestern das sehen könnten, würde Andrea diesen Schmuck auf der Stelle nachmachen und seine kleine Schwester Nicole vor Neid die Krise kriegen, wegen des schwarzen Äffchens, das auf der Schulter des Mädchens hockte.
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Während Dr. Torres zusammen mit den beiden Nonnen, die zu ihrer Begrüßung gekommen waren, die zwei Mormonen in die winzige Krankenstation brachte, kümmerte sich César
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