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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Nadia auf die Tür zu, riss sie auf und sprang, ohne nach unten zu sehen, ins Leere.
    Alex sah sie aus etwa zwei Metern Höhe in den Schnee fallen und rannte auf sie zu, ohne sich um den Hubschrauber zu scheren, der über ihr schwankend an Höhe gewann.
    »Aguila! Bist du okay?«, brüllte er noch im Laufen.
    Weniger erschrocken als vielmehr verdattert darüber, dass sie es geschafft hatte, hob sie die Hand, als sie ihn durch das Schneegestöber auf sich zukommen sah. Das Dröhnen des Hubschraubers verschluckte alle Rufe.
    Auch Tensing lief jetzt zu ihr, aber Dil Bahadur genügte es zu wissen, dass sie am Leben war, er drehte sich um und rannte zurück zu seinem verwundeten Vater. Als sich Tensing über Nadia beugte, schrie sie ihm über das Getöse hinweg zu, der König sei schwer verletzt, und deutete in die Richtung, wo der Prinz gerade verschwand. Der Lama hastete hinter ihm her, während Alex seine Jacke auszog und sie Nadia unter den Kopf schob. Der Schnee hatte ihren Sturz abgefedert, dennoch sah sie ziemlich mitgenommen aus, aber wenigstens ihr Schultergelenk war noch dort, wo es hingehörte.
    »Sieht nicht so aus, als sollte ich früh sterben«, nuschelte sie und wollte sich aufsetzen. Von dem Faustschlag hatte sie den Mund und die Nase voller Blut.
    »Bleib liegen, bis Tensing wieder da ist.« Alex war überhaupt nicht nach Scherzen zumute.
    So auf dem Rücken liegend, sah Nadia den Hubschrauber wie ein großes silbernes Insekt vor dem tiefblauen Himmel. Fast streifte er die Hänge des Bergkessels, während er schwankend immer höher stieg. Sie blickte ihm nach, wie er kleiner und kleiner wurde. Nadia wehrte Alex ab, der sie weiter auf ihrem schneebedeckten Krankenlager halten wollte, und rappelte sich mühsam hoch. Dann stopfte sie sich eine Handvoll Schnee in den Mund und spuckte ihn rot gefärbt wieder aus. Ihr Gesicht war schon ziemlich geschwollen.
    »Da!« Der Pilot, der die ganze Zeit wie gelähmt auf seinen Hubschrauber gestarrt hatte, begann plötzlich zu schreien.
    Das große silberne Insekt drehte sich in der Luft wie eine Motteunter einer Lampe. Der nepalesische Nationalheld wusste genau, was das hieß: Ein Luftwirbel hatte den Hubschrauber erfasst, die Rotorblätter bebten gefährlich. Verzweifelt ruderte der Pilot mit den Armen und brüllte irgendwelche Anweisungen, die Tex Gürteltier natürlich nicht hören konnte. Er würde dem Strudel nur entkommen, wenn er sich in einer Spirale nach oben schraubte. Alex dachte an Wellenreiten: Man musste die Welle im richtigen Augenblick erwischen und ihren Schwung nutzen, sonst brach das Meer mit voller Wucht über einem zusammen.
    Tex Gürteltier hatte jede Menge Flugstunden in allen erdenklichen Maschinen absolviert, in kleinen Jets, in Segelflugzeugen, in Hubschraubern und sogar einmal in einem lenkbaren Heißluftballon, bei seinem Job gehörte das einfach dazu; so schaffte er Waffen, Drogen oder Diebesbeute unbemerkt über Landesgrenzen. Er hielt sich für abgebrüht, aber auf das, was hier vorging, war er nicht vorbereitet.
    Als er den Bergkessel eben unter sich gelassen hatte und schon juchzte, als hätte er auf seiner weit entfernten Ranch im amerikanischen Westen ein wildes Rodeo geritten, ging ein heftiges Beben durch den Hubschrauber. Er begriff, dass er ihn nicht mehr unter Kontrolle hatte, schon drehte er sich schneller und schneller wie in einem gigantischen Mixer. Zum ohrenbetäubenden Dröhnen von Motor und Rotoren kam das Brüllen des Windes. Er versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren: Jetzt nur nicht die Nerven verlieren! Alles abrufen, was er wusste! Nichts half. Der Hubschrauber wirbelte weiter herum wie irregeworden, gefangen im Strudel. Plötzlich ein kreischendes Bersten, ein heftiger Schlag, und Tex Gürteltier wusste, der Rotor war gebrochen. Getragen vom Wind, hielt sich der Hubschrauber noch einen Moment in der Luft, dann wechselten die Böen unvermittelt die Richtung. Einen Atemzug lang war Ruhe, und Tex Gürteltier gab sich der flüchtigen Hoffnung hin, noch etwas tun zu können, dann fiel er wie ein Stein.
    Alex sollte sich später oft fragen, ob Tex Gürteltier wohl noch mitbekommen hatte, was vorging, oder ob ihn der Tod unvermittelt getroffen hatte wie ein Blitz. Von dort, wo er stand, konnte er nicht sehen, wie der Hubschrauber zerschellte, aber alle hörten dieExplosion und sahen gleich darauf die schwarze Qualmsäule, die zum Himmel aufstieg.
    ~
    Tensing fand den König leblos am Boden, den Kopf im Schoß seines Sohnes

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