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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Dil Bahadur, der ihm über das stoppelige Haar strich. Der Prinz hatte seinen Vater mit sechs Jahren zum letzten Mal gesehen, bevor man ihn eines Nachts aus dem Bett geholt hatte, um ihn Tensing in die Arme zu legen, aber er hatte ihn gleich wiedererkannt, denn sein Bild hatte ihn nie verlassen.
    »Vater, Vater …«, flüsterte er und sah hilflos auf das Blut, das aus der Schusswunde quoll.
    Der Lama beugte sich zum König hinunter: »Majestät, ich bin es, Tensing.«
    Der König schlug die Augen auf, sein Blick war trüb. Er blinzelte und sah einen jungen Mann, der große Ähnlichkeit mit seiner verstorbenen Frau hatte. Mit der Hand machte er ihm ein Zeichen, damit er sich näher zu ihm herunterbeugte.
    »Hör mich an, mein Sohn, ich muss dir etwas sagen …«, flüsterte er.
    Tensing trat zur Seite, damit die beiden ungestört reden konnten.
    »Du musst gleich in die Kammer des Goldenen Drachen gehen.«
    »Vater, die Statue ist gestohlen worden.«
    »Dennoch, du musst hingehen.«
    »Wie soll ich das ohne Euch schaffen?«
    Seit Menschengedenken hatten die Könige ihren Thronerben beim ersten Gang durch den Heiligen Bezirk begleitet, um ihm zu zeigen, wie man den tödlichen Fallen entging. Mit diesem ersten gemeinsamen Besuch beim Goldenen Drachen endete die Unterweisung des Prinzen, danach konnte er die Regierungsgeschäfte von seinem Vater übernehmen.
    »Du musst es allein tun.« Der König schloss die Augen.
    Tensing trat zu seinem Schüler und legte ihm die Hand auf die Schulter:
    »Vielleicht solltest du tun, was dein Vater sagt, Dil Bahadur.«
    Alex, der Nadia stützen musste, weil ihr die Knie schlotterten, und der nepalesische Pilot, noch verstört vom Verlust seines Hubschraubers und den vielen sonstigen Schrecken dieses Arbeitstages, betraten eben den Raum. Als sie den sterbenden König in den Armen seines Sohnes sahen, hielten sich Nadia und der Pilot scheu im Hintergrund, aber Alex bückte sich und sammelte die Sachen aus Judit Kinskis Handtasche auf.
    »Du musst in die Kammer des Goldenen Drachen gehen, mein Sohn«, sagte der König noch einmal.
    »Kann mein ehrwürdiger Meister Tensing mitkommen? Ich weiß nicht genau, was ich tun muss. Ich kenne den Palast und die Fallen doch nur aus Beschreibungen. Hinter der Letzten Tür wartet der Tod auf mich.«
    »Ich wäre dir keine Hilfe, Dil Bahadur, denn auch ich kenne den Weg nicht. Mein Platz ist jetzt beim König«, sagte der Lama traurig.
    »Könnt Ihr meinen Vater retten, ehrwürdiger Meister?«
    »Ich werde tun, was in meiner Macht steht.«
    Alex ging zum Prinzen und drückte ihm ein metallenes Kästchen in die Hand:
    »Das kann dir helfen, den Weg durch den Heiligen Bezirk zu finden. Es ist ein Video mit GPS.«
    »Ein was?« Der Prinz besah sich das Kästchen von allen Seiten, hatte aber keine Ahnung, was er damit sollte.
    »Klapp es auf. Man sieht einen Film, und außerdem zeigt es eine elektronische Karte des Palastes an. Damit kannst du bis in den Raum des Goldenen Drachen gelangen, genau wie Tex Gürteltier und die Skorpionkrieger.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Jemand muss den Weg gefilmt haben.«
    »Ausgeschlossen, außer meinem Vater hat niemand Zutritt zu diesem Teil des Palastes. Nur er weiß, wie man die Letzte Tür öffnet und den Fallen entgeht.«
    »Tex Gürteltier hat es auch geschafft, und zwar mit diesem Gerät. Er hat doch mit Judit Kinski unter einer Decke gesteckt. Vielleicht hat dein Vater ihr den Weg gezeigt …«
    »Das Medaillon!« Plötzlich war es Nadia wieder eingefallen. »Tex Gürteltier hat etwas von einer Kamera gesagt, die im Medaillon des Königs versteckt ist.«
    Sie entschuldigte sich für das, was sie gleich tun würde, trat zum König und betastete vorsichtig seine Brust, bis sie das Medaillon gefunden hatte, das zwischen die Falten seines Umhangs und die Weste gerutscht war. Sie bat den Prinzen um Hilfe, damit sie es dem König über den Kopf ziehen konnte, aber der zauderte, denn diese Handlung hatte eine tiefe Bedeutung: Das Medaillon stand für die königliche Macht, und die wollte er seinem Vater um nichts in der Welt entreißen. Aber Nadias Stimme klang drängend, und er musste etwas tun.
    Alex nahm das Medaillon entgegen, ging damit ins Licht und besah es sich kurz. Schnell hatte er die winzige Kamera zwischen den Korallen gefunden. Er zeigte sie Dil Bahadur und den anderen.
    »Bestimmt hat Judit Kinski sie dort versteckt. Mit diesem erbsengroßen Ding haben sie den Weg des Königs durch den Heiligen Bezirk

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