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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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herunter. Aufmerksam lauschte er auf das, was sein Vater ihm ins Ohr flüsterte, ein Geheimnis, in das seit eintausendachthundert Jahren nur die gekrönten Häupter des Reiches eingeweiht waren.
    »Vielleicht ist es nun Zeit, Lebewohl zu sagen, Dil Bahadur«, sagte Tensing, als der König geendet hatte.
    »Kann ich bei meinem Vater bleiben, bis zum Ende …?«
    »Nein, mein Sohn, brich gleich auf …«, murmelte der König.
    Dil Bahadur küsste seinen Vater auf die Stirn und wandte sich zum Gehen. Tensing drückte ihn fest an sich. Sie würden sich lange Zeit nicht mehr wiedersehen, vielleicht nie mehr. Der Prinzmusste sich der Probe stellen, die ihn zum König machte, und womöglich würde er sie nicht überleben; er selbst musste sein Versprechen halten und ins Tal der Yetis zurückkehren, um für sechs Jahre Grr-ymprs Platz einzunehmen. Zum ersten Mal in seinem Leben wurde Tensing von Gefühlen überwältigt: Er liebte diesen Jungen wie einen Sohn, mehr als sein Leben, dieser Abschied tat weh wie eine schlimme Verbrennung. Der Lama mühte sich, die Dinge von einer höheren Warte aus zu sehen, und wollte die Beklemmung in seinem Innern abschütteln. Er beobachtete sich selbst, atmete tief und spürte doch, dass er weit davon entfernt war, seinen Schmerz zu beherrschen und sich von allem Irdischen, auch von Gefühlen der Zuneigung, zu lösen. Er wusste, der Geist kannte keine Trennung. Hatte er nicht selbst den Prinzen gelehrt, dass alles Teil eines Ganzen ist, alles mit allem verbunden? Dil Bahadurs Wege würden mit den seinen immer verflochten sein. Warum war ihm dann so bang?
    »Werde ich die Heilige Kammer erreichen, ehrwürdiger Meister?«, unterbrach der Prinz seine Gedanken.
    »Denk an den Bergtiger: Höre auf deine Eingebung und deinen Instinkt. Hab Vertrauen zu den Fähigkeiten deines Herzens«, antwortete der Mönch.
    ~
    Der Prinz, Nadia und Alex brachen in die Hauptstadt auf. Da sie den Weg nun schon kannten, waren sie auf die Tücken vorbereitet, und Nadia hielt sich wacker. Sie nahmen die Abkürzung durch das Tal der Yetis und stießen so nicht auf den Trupp von General Myar Kunglung, der noch mit Kate und Pema auf dem steilen Bergpfad in Richtung Kloster unterwegs war.
    Die Blauen Krieger dagegen liefen Kunglung direkt in die Arme. In wilder Flucht vor den schaurigen Dämonen waren sie, so schnell das Gelände es zuließ, die Berge hinuntergehetzt. Die Yetis holten sie nicht ein, denn sie wagten sich nicht über die Grenzen ihres gewohnten Gebiets. Das war ein uraltes Gesetz der Sippe und ihnen angeboren: Sie mussten sich vor der Welt verbergen. Wenn sie denn einmal ihr geheimes Tal verließen, dann nur, um in denentlegensten Bergregionen nach Essbarem zu suchen, fernab von den Menschen. Für die Skorpionkrieger war dieser Abschottungstrieb der Yetis die Rettung, denn irgendwann siegte er über ihren Wunsch, die Verfolgten einzuholen; die Yetis stoppten, als wären sie gegen eine Wand gelaufen. Sehr ungern allerdings, denn der Verzicht auf eine anständige Keilerei, wie sie vielleicht auf Jahre hinaus keine mehr haben würden, war ein enormes Opfer. Eine ganze Weile jaulten sie vor Enttäuschung, zogen sich ein bisschen gegenseitig die Keulen über, ein schwacher Trost, und trotteten schließlich mit hängenden Köpfen heimwärts.
    Die Skorpionkrieger konnten sich zwar nicht erklären, warum die Dämonen mit den blutigen Helmen plötzlich die Verfolgung aufgegeben hatten, aber sie dankten der Göttin Kali, als sie es merkten. Der Schreck saß jedoch tief, und sie wären nie auf den Gedanken gekommen umzukehren, nicht für alles Gold der Welt. Sie folgten weiter dem einzigen Weg hinab ins Tal und trafen so unweigerlich auf Kunglungs Truppe.
    »Da, das sind sie, die Blauen Krieger!« Pema sah sie als Erste.
    General Kunglung hatte leichtes Spiel, die konnten ihm in dem Gelände nicht entwischen. Die Skorpionkrieger ergaben sich ohne den geringsten Widerstand. Der General schickte einen Offizier und die meisten der Soldaten mit den Gefangenen zurück in die Hauptstadt, während er mit Pema, Kate und einigen seiner besten Männer weiter zum Chenthan Dzong ritt.
    »Was passiert jetzt mit denen?«, wollte Kate wissen.
    »Vielleicht untersuchen die Lamas den Fall, beraten ihn mit den Richtern, und dann entscheidet der König über die Strafe. Zumindest hat man das sonst so gemacht, aber eigentlich haben wir kaum Erfahrung mit der Bestrafung von Verbrechern.«
    »In den Vereinigten Staaten würden sie bestimmt

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